Tag der Menschenrechte: Warnung vor Angriff auf unteres soziales Netz
Zivilgesellschaftliche Allianz zeigt in Bericht Defizite bei sozialen Menschenrechten in Österreich auf
(09.12.25). Anlässlich des morgigen Tags der Menschenrechte machen FIAN Österreich und die Österreichische Armutskonferenz auf einen neuen zivilgesellschaftlichen Bericht zur Umsetzung des UN-Sozialpakts in Österreich aufmerksam. Anfang 2026 wird Österreich in Genf geprüft. Bürgergesellschaftliche Organisationen können in diesem Rahmen Parallelberichte verfassen, um Umsetzungsdefizite darzulegen.
Der aktuelle Parallelbericht macht deutlich, dass soziale Grundrechte in Österreich weder verfassungsrechtlich abgesichert noch einklagbar sind. Internationale Menschenrechtsverträge, wie der UN-Sozialpakt oder die Europäische Sozialcharta spielen in der Rechtsprechung praktisch keine Rolle. Das österreichische Verfassungsrecht enthält – anders als zum Beispiel das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland – weder soziale Grundrechte, noch eine Sozialstaatsklausel oder einen speziellen Grundrechtsschutz für sozialrechtliche Leistungen.
Soziale Sicherheit
Gleichzeitig wird die soziale Sicherung durch Kürzungen und mangelnde Anpassungen an reale Lebenshaltungskosten ausgehöhlt. Die Sozialhilfe weist jetzt schon grobe Probleme auf, die kaum öffentlich Thema sind: Entscheidungsfristen sind zu lang, Härtefallhilfen fehlen, Wohnkosten sind zu hoch, Menschen mit Behinderungen wird die Selbständigkeit verwehrt. Besonders hart treffen diese Defizite Gruppen, die bereits ein hohes Armuts- und Ausgrenzungsrisiko tragen – darunter Alleinerziehende, Familien mit mehreren Kindern, Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen und Geflüchtete. Geplante bundes- und landespolitische Reformen drohen die Situation weiter zu verschärfen.
„Die Streichungen treffen alle, auch wenn die politisch Verantwortlichen das zu verschleiern versuchen“, betont Sozialexperte Martin Schenk von der Armutskonferenz, z.b in der Steiermark: Kürzung der Wohnkostenpauschale, des Höchstsatzes, des Bonus für Alleinerziehende sowie des Behindertenzuschlages.“ Die aktuellen und geplanten Kürzungen greifen das unterste soziale Netz massiv an – und treffen genau jene Menschen, die jetzt schon kaum über die Runden kommen. Während die Lebenshaltungskosten steigen, werden zentrale Leistungen gekürzt oder demontiert. Das widerspricht klar dem Menschenrecht auf soziale Sicherheit.
Recht auf Nahrung
„Besonders alarmierend sind die Entwicklungen beim Recht auf Nahrung“, ergänzt Sozioökonomin Anna Wagner von FIAN Österreich. Bereits jetzt erleben rund 1,1 Millionen Menschen in Österreich Ernährungsunsicherheit; 420.000 müssen Mahlzeiten auslassen oder konnten zeitweise einen ganzen Tag nichts essen. Gleichzeitig steigt die Abhängigkeit von Lebensmittelausgaben durch Hilfsorganisationen: „Das Recht auf Nahrung ist ein fundamentales Menschenrecht – wenn Menschen in Österreich Mahlzeiten auslassen müssen, wird dieses Recht durch politisches Versagen verletzt. Solche Rechte sind aber faktisch in Österreich nicht einklagbar, und gerade dadurch fehlt ein wirksamer Schutz vor Armut und Hunger. FIAN Österreich fordert deshalb eine Politik, die Menschenrechte wirksam umsetzt und nicht weiter abbaut.“, so Wagner.
Der zivilgesellschaftliche Parallelbericht zeigt: Österreich benötigt dringend einen menschenrechtlichen Kurswechsel. Soziale Menschenrechte müssen rechtsverbindlich geschützt, staatliche Leistungen existenzsichernd ausgestaltet und politische Entscheidungen menschenrechtskonform getroffen werden.
Hintergrund: Derzeit läuft die 6. Staatenprüfung des zuständigen UN-Fachausschusses zur Umsetzung des UN-Sozialpakts in Österreich. Zivilgesellschaftliche Organisationen können im Rahmen dessen sog. Parallelberichte verfassen, um Umsetzungsdefizite darzulegen. Diese Parallelberichte tragen somit wesentlich dazu bei, dass der Ausschuss ein realistisches Bild über die Menschenrechtslage im Land bekommt und geeignete Empfehlungen aussprechen kann. Prüfungen finden im Rhythmus von fünf Jahren statt. Österreich wurde zuletzt 2013 geprüft, hat seinen aktuellen Staatenbericht erst mit sechs Jahren Verspätung Mitte 2024 abgegeben und wird deshalb Anfang 2026 vom UN-Fachausschuss geprüft. Zu diesem Anlass wurde ein zivilgesellschaftlicher Parallelbericht mit Analysen verfasst, koordiniert durch FIAN Österreich und der Österreichische Armutskonferenz. Mitgeschrieben weiters: BAWO Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, Österreichischer Behindertenrat, Bundesjugendvertretung, Österreichischer Berufsverband der Sozialen Arbeit, Bundesjugendvertretung, Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger, pro mente Austria, arbeit plus – Soziale Unternehmen Österreich, SOS Mitmensch, caringeconomy.jetzt, HeVio-Health and Violence.

