Was ist die Bedarfsorientierte Mindestsicherung?

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Die "Bedarfsorientierte Mindestsicherung" (kurz: BMS) bildet das unterste soziale Netz in Österreich, das vor 2011 „offene Sozialhilfe“ geheißen hat (die „geschlossene Sozialhilfe“ für Personen in Pflegeeinrichtungen gibt es nach wie vor). 2014 betrugen die Ausgaben aller Bundesländer für Geldleistungen und Krankenhilfe der Bedarfsorientierten Mindestsicherung brutto 673 Mio € (dh., ohne Berücksichtigung von Rückflüssen durch Kostenersätze und Rückforderungen). Das entspricht ca. 0,7% an den Gesamt-Sozialausgaben in Österreich.

Daten zur Mindestsicherung

Laut aktuell verfügbaren Daten der Statistik Austria haben im Jahr 2014 256.405 Menschen in Privathaushalten Bedarfsorientierte Mindestsicherung bezogen. Davon waren etwa 27% Kinder. Frauen waren in allen Bundesländern stärker auf Mindestsicherung angewiesen (39%) als Männer (33%). Die meisten Bundesländer regeln in der BMS auch die Sicherstellung eines finanziellen Existenzminimums für Menschen mit erheblicher Behinderung, die in Privathaushalten leben. Um wie viele Menschen es sich dabei handelt, sagen die öffentlichen Statistiken nicht.

Die Anzahl der Personen in Sozialhilfe bzw. BMS ist seit dem Jahr 1999 stark angestiegen.

Anzahl der BezieherInnen offener Sozialhilfe / BMS:

1999 71.504 2003 106.516
2007 152.479 2011 193.276
2013 238.392 2014 256.405

Zunahme von "working poor" und Personen mit physischen oder psychischen Beeinträchtigungen

Gründe dafür sind z.B. schlecht entlohnte und instabile Jobs, Arbeitslosigkeit und nicht-existenzsichernde AMS-Leistungen, psychische Erkrankungen und. die finanzielle Not von Alleinerzieherinnen.. Zunehmend viele „working poor“ sind auf ergänzende BMS-Leistungen angewiesen, um zu überleben. Weiters haben Personen mit physischen oder psychischen Beeinträchtigungen am Arbeitsmarkt schlechte Chancen. Besonders nehmen depressive Erschöpfungszustände zu: 4 von 10 haben gesundheitliche Beeinträchtigungen.

Es kann jeden treffen

Das alles sind nicht die „ganz anderen“, sondern es trifft viele, die „es sich nie gedacht hätten“. Die frühere Sozialhilfe war dadurch gekennzeichnet, dass die Mehrheit der BezieherInnen nur kurzfristig Leistungen bezog. Nun schlagen Wirtschaftskrise und mit ihr zunehmend nicht-existenzsichernde Jobs und hohe Arbeitslosigkeit auf die Mindestsicherung durch. Nicht nur die Zahl der BezieherInnen steigt, auch die die durchschnittlichen Bezugszeiten werden länger, weil die Ausstiege aus der BMS immer schwieriger werden. Österreichweit waren im Jahr 2014 nur 36% der BezieherInnen weniger als 7 Monate lang auf BMS angewiesen.

Weitere Informationen: Datenbank & Buchtipps

Statistik der Bedarfsorientierten Mindestsicherung der Bundesländer 2014: www.sozialministerium.at

Wissenschaftliche Artikel, Zahlenmaterial und Analysen zur BMS finden Sie in der sozialpolitischen Datenbank der Armutskonferenz "Alles über und gegen Armut" in der Kategorie Mindestsicherung | Monetäre Grundsicherung.

Publikationen und Buchempfehlungen

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Die Armutskonferenz (2012) (Hg.): Monitoring Bedarfsorientierte Mindestsicherung. Analyse und Vergleich der Länderbestimmungen zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) 2011. Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse.
Redaktion: Martina Kargl

Trotz des zentralen Stellenwerts der Bedarfsorientierten Mindestsicherung im österreichischen Sozialstaat wird die für 2012 angekündigte Evaluierung der BMS durch Bund und Länder keine qualitative Analyse der einzelnen Länderbestimmungen beinhalten. Deshalb hat sich die ARMUTSKONFERENZ entschlossen, selbst zu untersuchen, wie die Bundesländer die Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG umgesetzt haben – und was sie darüber hinaus wie geregelt haben. Das Ergebnis ist ein umfangreicher Vergleich der Rechtsgrundlagen der BMS in den einzelnen Bundesländern in Form einer Matrix. In diesem Papier werden die zentralen Schlüsse dargestellt, die wir als ARMUTSKONFERENZ aus dieser Untersuchung gezogen haben. Es ist an dieser Stelle allerdings unmöglich, auf alle relevanten Aspekte und Ergebnisse dieses Vergleichs einzugehen – wir müssen uns auf das Allerwesentlichste beschränken. Allen, die sich einen vertieften Überblick verschaffen wollen, sei deshalb empfohlen, einen Blick in die BMS-Matrix zu werfen.


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Christine Stelzer Orthofer / Josef Weidenholzer (2011) (Hg.): Aktivierung und Mindestsicherung. Nationale und europäische Strategien gegen Armut und Arbeitslosigkeit.

Maßnahmen zur Armutsbekämpfung sowie zur Arbeitsmarktintegration sind im Spannungsfeld zwischen Mindestsicherung und Aktivierung angesiedelt und zielen auf eine möglichst rasche Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt ab. Aktivierung ist Symbol und Leitbild für einen Paradigmenwechsel zur Gestaltung sozialer Sicherheit. Namhafte ExpertInnen und Wissenschaft­lerInnen setzen sich mit den zum Teil konträren Konzepten zur Bekämpfung von zunehmender Armut, sozialer Ausgrenzung, Arbeitslosigkeit und Wohlfahrtsabhängigkeit auseinander und diskutieren Wege für eine gerechte Teilhabe aller in der Gesellschaft. Mit Beiträgen von Roland Atzmüller, Marcel Fink, Edeltraud Glettler, Markus Griesser, Marina Kolb, Helga Kranewitter, Manfred Krenn, Bettina Leibetseder, Alexis Mundt, Andreas Riesenfelder, Martin Schenk, Bruno Schernhammer, Heinz Schoibl, Peter Stanzl, Harald Stöger, Alexandra Weiss, Petra Wetzel, Iris Woltran u.a.

Weitere Informationen: www.mandelbaum.at


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Nikolaus Dimmel (2011): Recht haben und Recht kriegen. Arbeitsbuch Sozialhilfe und Bedarfsorientierte Mindestsicherung.

Wenn es darum geht, festzustellen, was im Vollzug der „Bedarfsorientierten Mindestsicherung“ rechtens ist, geraten juristische Laien schnell an ihre Grenzen. Nikolaus Dimmel, Jurist und Experte für Sozialhilfe und BMS, hat deshalb das für Österreich erste „Arbeitsbuch Sozialhilfe und Bedarfsorientierte Mindestsicherung“ vorgelegt, das sich dezidiert an Betroffene wie MitarbeiterInnen sozialer Organisationen wendet und auf 350 Seiten detailliert wie übersichtlich alle Fragen behandelt, die im Rahmen eines Sozialhilfe bzw. BMS-Verfahrens zu berücksichtigen sind. Der umfassende Anspruch bringt es mit sich, dass nicht nur geklärt wird, wer im Detail Anspruch worauf hat. Sondern auch, welche Rechte und Pflichten im Ermittlungsverfahren bestehen, was im Rahmen des Beweisverfahrens geprüft werden darf, was im Zusammenhang mit dem Bescheid wichtig ist, welche Möglichkeiten des Rechtsschutzes es gibt, und was im Zusammenhang mit dem Regress zu berücksichtigen ist. Einziger Wermutstropfen: Vieles bezieht sich auf die Rechtslage unter der „Sozialhilfe alt“. Weil es sich bei der Bedarfsorientierten Mindestsicherung letztlich aber um eine reformierte Sozialhilfe handelt und sich ein großer Teil des Buches mit den Fragen des Verfahrens beschäftigt, ist der Ratgeber auch in Zeiten der Bedarfsorientierten Mindestsicherung aktuell.

Rezension von Martina Kargl (Caritas Wien, Mitglied des Koordinationsteams der Armutskonferenz)

Weitere Informationen: www.studienverlag.at


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Walter J. Pfeil; Josef Wöss (2011ff.) (Hg.): Bedarfsorientierte Mindestsicherung. Reihe: Gesetze und Kommentare 188.

Zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses kritischen und sorgfältig redigierten Sammelbandes zur Analyse und Bewertung der sozialpolitischen Innovation einer bundesweit abgestimmten Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) lagen Umsetzungsbestimmungen der 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Bundesländern für Wien, Niederösterreich und Salzburg vor. Bezüglich der weiteren Bundesländer mussten die AutorInnen auf die Entwürfe der Landesgesetze sowie der entsprechenden Verordnungen zugreifen. Die endgültige Rechtswirklichkeit der BMS wird jedoch erst mit der für Herbst 2011 angekündigten 2. Teillieferung dieses Kompendiums abgebildet werden können. Diese Tatsache stellt jedoch die Bedeutung des Sammelbandes zur neuen Rechtswirklichkeit der sozialen Sicherheit in Österreich keineswegs in Frage. In grundsätzlichen Kommentaren würdigen die AutorInnen die Bedeutung der BMS für so grundlegende Leistungsbereiche wie Aktivierung und Erwerbsbeteiligung, Sozialversicherung und Frauenpolitik, Migration und Integration sowie – last but not least – den Leistungsbereich der Wohnversorgung und das Zusammenspiel von Armuts- und Wohnpolitik – unter den Vorzeichen der BMS.

Rezension von Heinz Schoibl (BAWO)

Weitere Informationen: https://shop.lexisnexis.at