Inflation und Armut gleichzeitig bekämpfen: verbilligter Preis im Elektrizitätswirtschaftsgesetz

Sozialtarif: Kleine Erwerbseinkommen und Arbeitslose nicht vergessen / Unteren Referenzwert von 6 Cent nur anheben, wenn Energiepreise steigen / Keine Abschaltungen im Winter

(13.08.25). „Preissenkende Maßnahmen würden einkommensschwache Haushalte entlasten und gleichzeitig auch dämpfend auf die Inflation wirken“, so das Netzwerk Armutskonferenz in seiner Stellungnahme im Rahmen der Begutachtung des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ELWG), die diese Woche endet. Die Teuerung steigt zurzeit wieder an bei gleichzeitigem Wegfall preissenkender Instrumente wie die Stromkostenbremse.

Kleine Erwerbseinkommen und Arbeitslose

„Die Einführung eines verbilligten Preises bei Energiekosten ist eine hilfreiche Maßnahme, es sollten aber alle Menschen mit kleinsten Einkommen wie Bezieher von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe einbezogen sein“, rät die Armutskonferenz den Sozialtarif „zu vervollständigen“. Gerade arbeitslose Personen haben in Österreich eine der höchsten Armutsgefährdungsraten.
„Weiters wäre es sinnvoll, Working Poor und Niedrigeinkommensbezieher mit zu berücksichtigen. Ihre Einkommen liegen ebenfalls unter der Armutsgrenze, sie sind aber beim verbilligten Strompreis nicht enthalten“. Damit einkommensschwache Haushalte vor Not und Absturz geschützt werden, sollte die Hilfe über die OBS-Befreiung auch die Begünstigten aus dem Erneuerbaren Ausbau-Gesetz (EAG) erfassen, schlägt die Armutskonferenz vor. Das wären Haushalte mit Niedrigeinkommen und Working Poor, jedenfalls Menschen, die jetzt nicht mehr weiter wissen - aber nicht in der Gruppe der Sozialleistungsbezieher erfasst sind. „Auf der OBS-website ist die Gruppe bei EAG-Kosten Deckelung bereits gelistet und könnte unbürokratisch von den billigeren Energiepreisen profitieren“, so das Netzwerk.
Laut Analyse des Büros des Fiskalrats konnten durch die Preissteigerungen bereits 2022 die einkommensschwächsten 35% der Haushalte ihre durchschnittlichen Konsumausgaben nicht durch ihr verfügbares monatliches Einkommen finanzieren. Von diesen Haushalten beziehen mehr als 50% als Haupteinnahmequelle ein Erwerbseinkommen. Deshalb ist es gut, wenn Preissenkungen nicht nur an die Ärmsten gehen, sondern auch in die „untere Mitte“, um sie vor Absturz zu schützen.

Unteren Referenzwert nur anheben, wenn Energiepreise steigen.

Der untere Referenzwert von 6 Cent pro Kilowattstunde ist aus unserer Sicht nur anzuheben, wenn auch die Energiepreise in der Jahresbetrachtung tatsächlich steigen. Den Wert zu valorisieren, selbst wenn die Energiepreise sinken, führt zu höheren Kosten bei Haushalten mit gestütztem Preis und wirkt somit der Bekämpfung von Energiearmut entgegen. Wenn es zu einer Valorisierung des Referenzwertes kommt, ist in jedem Fall auch die Pauschale der Familienmitglieder in gleichem Ausmaß zu valorisieren.
Um grundsätzlich die Leistbarkeit von Strom für schutzbedürftige Haushalte zu sichern, schlagen wir zudem vor, den oberen Referenzwert bei max. 10 Cent pro kWh zu deckeln.

Statt 2900 KWh den durchschnittlichen Verbrauch des gesamten Haushalts

Da auf den gestützten Preis ohnehin nur Haushalte mit geringem Einkommen Anspruch haben, schlagen wir vor, anstatt der 2.900 kWh den etwas höheren durchschnittlichen Verbrauch des gesamten Haushalts heranzuziehen. Die 2.900 kWh wurden von der Strompreisbremse übernommen, die jedoch allen privaten Haushalten zustand. Bei Haushalten mit geringem Einkommen ist die Tatsache, dass es sich beim gestützten Preis um kein Gratiskontingent handelt, bereits ein ausreichender Anreiz, Energie sparsam zu verwenden, da jede zusätzliche kWh trotzdem Geld kostet. Wird an den 2.900 kWh festgehalten, sollte zumindest die Pauschale bereits ab der dritten und nicht erst der vierten Person ausbezahlt werden.

Verzicht auf Abschaltungen während der Wintermonate

Zugang zu Energie bedeutet, dass es ein absolutes Existenzminimum geben muss, das sicherzustellen ist. Katalonien ist diesbezüglich bereits mit gutem Beispiel vorangegangen: bei drohenden Abschaltungen sind Energielieferanten dazu verpflichtet, Sozialdienste zu informieren, welche die Schutzbedürftigkeit der betroffenen Haushalte überprüfen. Liegt diese vor, darf es zu keiner Abschaltung kommen. Auch in Österreich braucht es diese rechtliche Absicherung hinsichtlich der Energieversorgung. Aus unserer Perspektive ein Minimalkompromiss wäre ein Verzicht auf Abschaltungen während der Heizperiode über die Wintermonate.

Ärmere nicht aus Energiegemeinschaften ausschließen

Die Anrechnung von Strommengen aus gemeinsamer Energienutzung sehen wir kritisch, da Energiegemeinschaften dadurch für Haushalte mit geringem Einkommen unattraktiv werden (außer sie erhalten kostenlosen Strom, was in der Regel in den Energiegemeinschaften nicht der Fall ist). Sie werden damit praktisch von der Energiewende ausgeschlossen, da sich das Mitmachen in der Energiegemeinschaft nicht lohnt. Dies führt dazu, dass Energiegemeinschaften zu einem exklusiven Instrument für die Mittel- und Oberschicht werden.

Ein-Monat Bearbeitungsfrist, Ressourcen OBS, Informationskampagne

Um eine zeitnahe Bearbeitung der Anträge zu gewährleisten, bedarf es einer gesetzlich definierten maximalen Bearbeitungszeit von einem Monat sowie einer entsprechenden Ressourcenausstattung der OBS GmbH, damit die Stelle für Kunden niederschwellig erreichbar ist.
Bei Einführung des Sozialtarifs schlägt die Armutskonferenz vor, eine breite Informationskampagne zu starten, die von Sozialministerium, den Länder, den Energieversorgern und dem ORF getragen ist. Hilfestellung beim Antrag sollen in Primärversorgungzentren, Bewohnerservicestellen, Gemeinden, Bezirksämtern, den Energieagenturen der Länder und den KLAR!-Stellen (743 Gemeinden) möglich sein.

Energiearmut: 5% mit Zahlungsrückständen, 14% können sich Energie nicht leisten

Laut den neuesten EU-SILC Zahlen der Statistik Austria haben/hatten 458.000 Personen bzw. 5 % der Bevölkerung in den vergangenen 12 Monaten zumindest einmal Zahlungsrückstände bei den Energiekosten fürs Wohnen. In der “So geht’s uns heute” Befragung der Statistik Austria mit dem Schwerpunkt Energiearmut im 1. Quartal 2023 gaben hochgerechnet 14 % der Bevölkerung zwischen 18 und 74 Jahren an, sich nicht ausreichend Energie für ihren Haushalt leisten zu können.


Quellen
Statistik Austria (2025): EU Silc 2024
Statistik Austria (2023): So geht’s uns heute, 1.Quartal 2023.
Fiskalrat (2022): Effekt der Inflation auf Konsumausgaben

Weitere Informationen
Stellungnahme der Armutskonferenz zum ElWG