Sozialhilfe: Neue Gesetze lösen massive Probleme aus

Armutskonferenz besorgt über Verschlechterungen bei Menschen mit Behinderungen, Wohnen, Frauen in Not, Gesundheit, Kinder und Familien

(14.09.2021) „Die rückläufigen Zahlen in der Sozialhilfe dürfen nicht über die massiven Probleme hinwegtäuschen, die die neuen Gesetze im Land auslösen“, kommentiert das Netzwerk Armutskonferenz die aktuellen Daten der Statistik Austria. „Die negativen Auswirkungen der in manchen Bundesländern bereits umgesetzten Sozialhilfe auf Menschen mit Behinderungen, Wohnen, Frauen in Not, Gesundheit, Kinder und Familien sind massiv.“ Betroffen sind beispielsweise Menschen in teilbetreuten Wohngemeinschaften, im Übergangswohnen sowie in psychosozialen Wohnheimen. In Anspruch genommen werden diese Einrichtungen von Männern und Frauen, die eine schwierige persönliche Situation hinter sich haben, oftmals mit Obdachlosigkeit oder Gewalt konfrontiert waren.

Verwaltungsaufwand steigt, dafür werden Leistungen gekürzt

Die Sozialhilfe ist umständlich kompliziert. Die Folge: Der Verwaltungsaufwand steigt, dafür werden Leistungen gekürzt. Nach Schätzung der zuständigen Fachabteilung des Landes Kärnten werden die Leistungen für Sozialhilfeempfänger um rund 360.000 Euro sinken. Im Gegenzug wird es in den Sozialämtern durch den erhöhten Verwaltungsaufwand zu Personalmehrkosten in Höhe von rund 1,06 Millionen Euro kommen. Die Allgemeinheit soll mehr bezahlen müssen, damit Hilfe suchende Personen weniger erhalten.

Zu wenig zum Wohnen, zu wenig zum Leben

Die durchschnittliche Bruttomiete inklusive Betriebskosten betrug in NÖ im Jahr 2019 509 Euro – der Wohnbedarf der Mindestsicherung für eine alleinstehende Person, ohne Eigenheim 379 Euro. Nicht nur in der Landeshauptstadt ist ein Zuhause deshalb für viele kaum noch leistbar. Das Gesetz sieht außerdem vor, dass – im Gegensatz zur Mindestsicherung – statt 75 % lediglich 60% für den Lebensunterhalt verbleiben. Vom 40%igen Wohnanteil wird die Leistung aus der Wohnbauförderung abgezogen, was insgesamt dazu führt, dass die hilfebedürftige Person weniger fürs Leben und weniger fürs Wohnen erhält.

Unterhalt jetzt überall

Menschen mit Behinderungen können gezwungen werden, ihre Eltern auf finanziellen Unterhalt zu verklagen – auch, wenn sie längst volljährig sind. Wenn sich die Betroffenen weigern, wird die Leistung empfindlich gekürzt. „Diese Regelung galt bisher nur in manchen Bundesländern, die neue Sozialhilfe zwingt diese schlechte Praxis jetzt allen auf“, so die Armutskonferenz.

Die Geschichte von Tanja

Die Geschichte von Tanja in Einzelbildern

Zuverdienst abkassiert

Auch die Zuverdienstgrenze für Menschen mit Behinderungen wird drastisch reduziert. Die Armutskonferenz bringt ein Beispiel aus OÖ: Herr I. arbeitet in der Einrichtung, wo er wohnt, für einige Stunden pro Woche im Wasch- und Bügelservice. Dieser Betrag wird nun zur Gänze von seiner Sozialhilfeleistung abgezogen. Damit soll er Bekleidung, Hygieneartikel, unerwartete Ausgaben und persönliche Bedürfnisse bestreiten. Herr I. hat eine minderjährige Tochter, die er gern monatlich besucht. Die Fahrtkosten gehen sich jetzt nicht mehr aus.

Die Geschichten von Frau Emre und Herrn Innerhofer

Frauen-Notwohnungen gekürzt

In Niederösterreich bietet die Frauenberatung Notwohnungen an, wo jeweils drei Frauen wohnen. In der jetzt eingeführten Sozialhilfe werden diese unsachgemäß als WG bzw. Haushaltsgemeinschaft bewertet. Die dritte Frau bekommt nur die Hälfte der Existenzsicherung, eine massive Kürzung, „zum Sterben zu viel ist, zum Leben zu wenig“.