Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt sieht den sozialen Frieden durch Kürzungen bei Mindestsicherung in Gefahr

Kürzungen bei der Mindestsicherung treffen Familien mit Kindern, Menschen mit Behinderung und Menschen ohne Pflichtschulabschluss oder mit schlechten Deutschkenntnissen

(19.12.2018) „Wir brauchen in Österreich mehr Arbeitsplätze und Arbeitseinkommen, von denen man angemessen leben kann. Und alle, die nicht arbeiten können oder zu wenig verdienen, brauchen eine finanzielle Unterstützung auf Zeit, die ein Leben in Würde ermöglicht“, das betont Bernd Wachter, Generalsekretär der Caritas Österreich und Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt (BAG) im Blick auf die geplante Neugestaltung der Mindestsicherung durch die Bundesregierung.

Gekürzt wird bei Familien

„Bei der jetzt geplanten – und nun mehr als Sozialhilfe benannten – „Mindestsicherung Neu“ wird vor allem bei Familien mit Kindern gekürzt. Das ist kurzsichtig und macht das Leben gerade für jene schwer, die schon jetzt jeden Euro zweimal umdrehen müssen“, so Wachter.

Kinder, die Armut erfahren, haben schlechtere Bildungs- und Zukunftschancen. Wer hier kürzt, nimmt diesen Kindern ganz konkret Teilhabe- und Entwicklungschancen. Armut wird dann noch stärker weitervererbt als bisher. Denn 80.000 Kinder stellen mit 35 Prozent den größten Anteil der Mindestsicherungsbezieherinnen und -bezieher.

Österreich armutssicher machen!

„Die Mindestsicherung sichert Existenz und Chancen. Niemand soll Angst haben müssen, in den sozialen Abgrund zu stürzen. Und niemand darf aufgrund seiner Herkunft diskriminiert werden. Zwischen einem niedrigen Arbeitseinkommen und der Mindestsicherung für eine Familie mit drei Kindern liegt nur der schmale Grat des Arbeitsplatzverlustes oder einer chronischen Krankheit“, weiß Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser aus dem Alltag der Sozialberatung. „Die geplanten Kürzungen schaden genau dem viel zitierten fleißigen Geringverdiener mit Kindern. Hier geht es um Menschen, die viel arbeiten und wenig verdienen und in Krisen kommen können“, so Moser. „Anstatt die Situation jener, die es ohnedies schwer haben, zu verschärfen, wäre es - gerade angesichts der guten wirtschaftlichen und budgetären Entwicklung - jetzt an der Zeit, Österreich armutssicherer zu machen.“

Unverbindliche Zusatzleistungen

„Die Zusatzleistungen für AlleinerzieherInnen oder Menschen mit Behinderung sind als Kann-Leistungen geplant, die die Bundesländer in ihren Ausführungs-Gesetzen zur „Mindestsicherung Neu“ vorsehen können oder auch nicht. Das bereitet große Sorge“, erklärt Erich Fenninger, Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe Österreich.

„Subsidiär Schutzberechtigte Menschen werden aus der „Mindestsicherung Neu“ ausgeschlossen und in die Grundversorgung gedrängt. Das wird zu einem massiven Problem für diese Gruppe führen. Das Risiko für Wohnungsverlust und Obdachlosigkeit wird dadurch gesteigert und Integration massiv erschwert“, befürchtet Fenninger.

Fehlende Einheitlichkeit und mangelnde Gerechtigkeit

„Wir hätten uns von einer Neuregelung erwartet, dass sie gerecht ist, dass sie bundesweit einheitlich ist und dass sie kosteneffizient ist“, sagt Rotkreuz-Generalsekretär Werner Kerschbaum: „Kaum etwas davon finde ich im vorliegenden Entwurf. Ich halte Teile der Neuregelung für ungerecht, die Länder können unterschiedlich hohe Zusatzleistungen erbringen und teurer ist das neue Modell ebenfalls. Das ist enttäuschend.“

Kürzungen im Fürsorgeprinzip

Österreich hat ein Versicherungsprinzip, das all jene unterstützt, die Beiträge leisten. Und Österreich hat ein Fürsorgeprinzip, das jenen hilft, die zu alt, zu krank oder zu jung sind. „Die Leistungen für Mindestsicherung machen derzeit nur 0,9% der Gesamt-Sozialausgaben aus. Trotzdem plant die österreichische Bundesregierung Änderungen, die dazu führen, dass Menschen in Not ins soziale Nichts fallen. Damit stellt sie unseren Sozialstaat in Österreich in Frage und gefährdet den sozialen Frieden im Land“, so die VertreterInnen der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt unisono.

Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt (BAG)

In der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt (BAG) arbeiten seit 1995 die großen Trägerorganisationen Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe zusammen, um gemeinsame sozialpolitische Anliegen zu artikulieren sowie eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Arbeit privater gemeinnütziger Träger in Österreich zu erreichen. Themenschwerpunkte der BAG sind Pflege, Sozialhilfe, Armut, Integration und Kinderbetreuung.


Fallbeispiele & Berechnungen

Beispiel Wien: Frau mit erheblicher Behinderung

Beispiel NÖ: 2-Eltern-Familie mit 3 Kindern

Beispiel Tirol: WG von Menschen mit Beeinträchtigung