Unmenschliche Sozialhilfe: Sozialrechtsnetz bekämpft Verweigerung von Hilfe für schwer Kranke

In Salzburg werden Menschen von der Sozialhilfe ausgeschlossen, obwohl sie seit langer Zeit in Österreich leben

(20.01.2022) Menschen erhalten in Salzburg keinerlei Unterstützung aus der Sozialhilfe und verlieren trotz schwerwiegender Krankheit ihre Krankenversicherung. Die Sozialhilfe versagt dabei, die elementarsten Bedürfnisse von Menschen zu befriedigen. Das SozialRechtsNetz geht gegen die entsprechende Auslegung nun höchstgerichtlich vor. In Salzburg werden Menschen von der Sozialhilfe ausgeschlossen, obwohl sie seit langer Zeit in Österreich leben und dringend Unterstützung benötigen.

Ausgangssituation Salzburg

Herr Mensah ist in Ghana geboren und lebt seit 2002, also mittlerweile seit mehr als 18 Jahren, in Österreich. Von 2002 bis 2017 befand er sich über lange Zeiten im Asylverfahren. Am 16.1.2017, wird Herrn Mensah schließlich ein humanitäres Aufenthaltsrecht vom Bundesverwaltungsgericht zugesprochen. Dieses wird am 17.1.2018 in eine Rot-Weiß-Rot-Karte nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz umgewandelt.

Während der langen Dauer seines Asylverfahrens, versucht Herr Mensah stets, finanziell auf eigenen Beinen zu stehen. Er verkauft als selbstständig Erwerbstätiger Kleidung. Nachdem er sich mit dieser Tätigkeit nicht versorgen kann, arbeitet er in Österreich als Hilfsarbeiter und Zeitungszusteller. Im Jahr 2015 erleidet Herr Mensah einen Herzinfarkt, der zu diversen Folgekomplikationen, bspw einem Arterienverschluss, führt. Auf Grund dieser gesundheitlichen Probleme kann Herr Mensah nicht mehr arbeiten. Herr Mensah bezieht Leistungen aus der Mindestsicherung und versucht über das AMS, wo er Deutschkurse besucht, einen Job zu finden. Am 18.9.2020 wird Herrn Mensah nach einer Begutachtung durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen eine Behinderung von 60 % bescheinigt. Schließlich läuft die Mindestsicherung aus und Herr Mensah beantragt am 7.1.2021 Sozialhilfe. Die zuständige Behörde in Salzburg lehnt den Antrag am 12.2.2021 ab, da sie Herrn Mensah nicht als dauerhaft niedergelassenen Fremden iSv § 4 Abs 2 Z 2 Salzburger Sozialunterstützungsgesetz (SUG) betrachtet. Das Landesverwaltungsgericht bestätigt diese Einschätzung.

Vom AMS erhält Herr Mensah keine Leistung und ist deshalb auch nicht krankenversichert. Das führt für Herrn Mensah zu existenzbedrohenden Problemen, weil er seine dringend nötige Medikation nicht ohne Versicherung finanzieren kann.

SozialRechtsNetz Einschätzung

Die Voraussetzung einer dauerhaften Niederlassung zur Begründung eines Anspruches wurde als Verschärfung mit der Einführung der Sozialhilfe beschlossen. Diese Bestimmung ausführend bestimmt § 4 Abs 2 Z2 SUG:
„Zum bezugsberechtigen Personenkreis zählen: […] dauerhaft niedergelassene Fremde, die sich seit mindestens fünf Jahren dauerhaft tatsächlich und rechtmäßig im Inland aufhalten;“

Diese Bestimmung wird vom Salzburger Landesgesetzgeber und auch von den ausführenden Behörden, sowie dem Landesverwaltungsgericht Salzburg derart verstanden, dass nur Aufenthaltstitel mit der Qualität einer Niederlassung, zur Zeit eines fünfjährigen Aufenthalts zählen. Diese komplexe Unterscheidung nach der Art und dem Zweck des Aufenthaltstitels verfehlt das Ziel der Sozialhilfe völlig. Derart werden Menschen, die für eine gewisse Zeit die „falsche“ Art des rechtmäßigen Aufenthalts haben essentielle Grundrechte verweigert. Die abstrakte juristische Spitzfindigkeit hat zur Folge, dass schwer kranke Personen ohne ausreichende materielle Absicherung sich selbst überlassen werden.

Das SozialRechtsNetz unterstützt die Gewährleistung von sozialer Sicherheit: Das Landesverwaltungsgericht hat in diesem Fall eine ordentliche Revision für zulässig erklärt, weil nicht ausreichend geklärt sei, wer als „dauerhaft niedergelassene(n) Fremde(n)“ zu verstehen sei. Bei einem 18 jährigen, größtenteils rechtmäßigen Aufenthalt, und einem rechtmäßigen Aufenthalt fünf Jahre vor Antragstellung sollte nach Ansicht des SozialRechtsNetz jedenfalls Anspruch auf Sozialhilfe bestehen. Es kann hier nicht auf die komplexe juristische Unterscheidung zwischen rechtmäßigem Aufenthalt und Niederlassung ankommen. Das gilt umso mehr, als der Antragsteller durch eine Behinderung eingeschränkt und schwer krank ist. Das SozialRechtsNetz unterstützt aus diesem Grund eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof, um diese Frage zu klären.

Zusammenfassung

Der Fall führt eindringlich die Verschlechterungen, welche in Österreich durch den Beschluss des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes durchgesetzt wurden vor Augen. Menschen, die sich bereits jahrelang in Österreich aufhalten und hier ihren Lebensmittelpunkt haben, wird selbst eine elementare Versorgung verwehrt. Dabei wird Armutsbekämpfung völlig außer Acht gelassen; der Ausschluss aus der Sozialhilfe und der Krankenversicherung treibt Menschen in die absolute Armut.
Das SozialRechtsNetz unterstützt Fälle, bei denen Menschen zu Unrecht Sozialleistungen verwehrt werden. Kontaktdaten finden Sie unter:
www.sozialrechtsnetz.at