SozialrechtsNetz bekämpft Kürzungen der Sozialhilfe bei Alleinerziehenden in Niederösterreich

(15.03.2023) Alleinerziehenden in Niederösterreich wird die Sozialhilfe gekürzt. Im konkreten Fall wurde der älteste Sohn 18 Jahre alt und allein aufgrund dieser Tatsache „verliert“ die Mutter ihre Eigenschaft als Alleinerzieherin und somit auch den entsprechenden Zuschlag. Das im Dezember 2022 novellierte Gesetz bringt sogar weitere Verschlechterungen.

Ausgangslage

Wie bereits hier berichtet (Fall aus 2021) wurde einer alleinerziehende Mutter von drei Kindern in Niederösterreich aufgrund der Tatsache, dass nicht alle Kinder, mit denen Frau Huber (Name wurde von der Redaktion geändert) im gemeinsamen Haushalt lebt, minderjährig sind, die Sozialhilfe gekürzt, indem sie keinen Zuschlag für Alleinerzieher*innen erhält.

Gleichzeitig wurde von Behörde und Gericht eines der beiden minderjährigen Kinder aufgrund von Unterhaltszahlungen als nicht hilfebedürftig angesehen und hat dieses Kind damit richtigerweise keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Bei der Berechnung der Sozialhilfe für das zweite minderjährige und anspruchsberechtigte Kind wurde jedoch statt des 25 %-igen Richtsatzes für ein Kind, der Richtsatz von 20% zugesprochen, der bei zwei Sozialhilfe beziehenden Kindern zählt. Dies mit der Begründung, das Gesetz spreche bei zwei minderjährigen Kindern nur den herabgesetzten Richtsatz zu.

Für die in prekären Verhältnissen lebende Familie führen diese umfassenden Kürzungen zu untragbaren Folgen.

Verwaltungsgerichtshof behebt Erkenntnis

Das SozialrechtsNetz unterstütze die Familie bei der Klagsführung und der Verwaltungsgerichtshof hob das Urteil des LvWG Niederösterreich im Hinblick auf die Zuschlagskürzung des hilfsbedürftigen Kindes auf. Das Erkenntnis ist hier nachzulesen (Erkenntnis des VwGH). Die Behörde und das LvWG erkennen einerseits einem der beiden minderjährigen Kinder infolge von Unterhaltsansprüchen (siehe Fall aus 2021) mangels Hilfsbedürftigkeit keine Sozialhilfe zu, andererseits verwehren sie dem zweiten, anspruchsberechtigten Kind rechtswidrig den höheren Richtsatz, welcher bei einem hilfsbedürftigen Kind nach dem Gesetz zustand. Behörde und Gericht verkennen die ohnehin schlechte Rechtslage für armutsbetroffene Menschen in Niederösterreich, indem die Mutter für das anspruchsberechtigte Kind, die Unterhaltsansprüche des anderen nicht anspruchsberechtigten Kindes heranzuziehen hat, weil diese zusammenleben. Der VwGH korrigiert diese Rechtswidrigkeit zum damaligen Gesetz. Das LvWG muss seine Entscheidung ändern und der Alleinerhalterin wurde der höhere Richtsatz für das eine Kind in Höhe von 25 % ausbezahlt.

Novelle NÖ Sozialhilfe-Ausführungsgesetz bringt Verschlechterung

Mit 01.12.2022 trat eine Novelle des NÖ SAG in Kraft. Das neue Gesetz hält nun – offenbar als Reaktion auf diese Rechtsprechung - ausdrücklich fest, dass bei der Ermittlung der Anzahl der Personen im Haushalt „auch nicht hilfebedürftige minderjährige Personen zu berücksichtigen sind“. Das führt zu einer gravierenden Verschlechterung für armutsbetroffene Menschen und zur Rechtmäßigkeit der durch den VwGH im Juni 2022 als rechtswidrig beurteilten Richtsatzkürzung.

Zum Begriff der „alleinerziehenden Person“ lässt der VwGH im obengenannten Erkenntnis die Rechtsunsicherheit bei der Auslegung des Begriffes „alleinerziehende Person“ im Wesentlichen bestehen, indem er nur negativ ausspricht, dass aufgrund der Gesetzesmaterialien zum NÖ SAG aus einem Fehlen im Gesetzestext nicht geschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber Abstand von einem Verständnis einer "alleinerziehenden Person" nehmen wollte, die eine solche ist, wenn diese "[...] NUR mit minderjährigen UND ihr gegenüber unterhaltsberechtigten Personen in einer Haushaltsgemeinschaft lebt" (siehe auch berichteter Fall aus 12/22). Er lässt für die Mutter den Zuschlag für Alleinerziehende aufgrund des mit ihr wohnenden, aber nicht zum Unterhalt beitragenden volljährigen Sohnes nicht zu. Zwischen Geschwistern besteht keine Unterhaltspflicht – es wird aber so getan, als müsse der Volljährige die Mutter entlasten und unterstützen und kürzt der Mutter ihre eigenen Ansprüche.

Zusammenfassung

Das VwGH Erkenntnis und die nun in Kraft getretene Novelle des NÖ SAG zeigen wieder einmal die unmenschlichen Resultate der NÖ Sozialhilfe. Alleinerhalterinnen in finanziell prekären Situationen wird aufgrund schlechter Gesetze die Sozialhilfe gekürzt und sie müssen infolge von vermeidbaren Rechtsunsicherheiten und rechtswidriger Auslegung von Gesetzen durch Behörden und Gerichte zusätzliche Mühen eingehen um ihre Rechte zu wahren. Jetzt wird durch das novellierte Gesetz die Rechtslage für armutsbetroffene Menschen noch mehr verschlechtert und die ursprüngliche durch den VwGH im Juni 2022 erkannte Rechtswidrigkeit als rechtmäßige Richtsatzkürzung für Kinder durch die Landesregierung normiert.

Es wird abermals gezeigt, die niederösterreichische Sozialhilfe kann eine menschenwürdige Existenz nicht gewährleisten. Das schlechte Gesetz gehört grundlegend geändert.

Das SozialrechtsNetz unterstützt Fälle, bei denen Menschen zu Unrecht Sozialleistungen verwehrt werden.