Faktencheck Mindestsicherung Niederösterreich: Anstieg von 0,5% auf 0,8% der Gesamtausgaben

Kein Grund zur Dramatisierung / Phänomen der Städte / Durchschnittl. Bezugsdauer 7 Monate / Unfaire Finanzierung zw. Gemeinden

(07.07.2016) In der laufenden Debatte über die Mindestsicherung spielt die Diskussion über erfolgte wie prognostizierte Ausgaben-Steigerungen eine zentrale Rolle. Der Verweis auf eben solche Mehrausgaben als Folge steigender BezieherInnen-Zahlen dient unter anderem als Legitimation dafür, Ansprüche zu kürzen oder überhaupt zu versagen.

Bereits von der Armutskonferenz aufgezeigt: Bundesweit macht die Mindestsicherung gerade einmal 0,7% des Sozialbudgets für die ärmsten 3% der Bevölkerung aus. Gemessen am Gesamtbudget nur 0,4%. Das wird den Sozialstaat nicht zusammenbrechen lassen.

Auf Bundesländerebene ist Niederösterreich nun eines jener Länder, wo die Rede davon, dass der Sozialstaat durch die Kostensteigerungen in der Mindestsicherung „an den Rand der Finanzierbarkeit“ gebracht würde, besonders vehement vorgebracht wird.

In Niederösterreich durchschnittliche Bezugsdauer bei 7 Monaten

Die Recherche und der Faktencheck zeigen: Ein Zuwachs von 10.503 Personen zwischen 2011 - 2015 entspricht in NÖ mit seinen 1.636.778 BewohnerInnen (Jahr 2015) gerade einmal 0,6% der Bevölkerung des Bundeslandes. Zwischen 2011 und 2015 ist der Anteil der Mindestsicherungs-BezieherInnen an der niederösterreichischen Gesamt-Bevölkerung damit von 1,0% auf 1,7% angestiegen. Wobei damit nur gesagt ist, dass diese Personen zumindest einmal im Untersuchungs-Jahr eine Leistung aus der Mindestsicherung erhalten haben. Ein ganzjähriger Bezug von BMS ist alles andere als die Regel: im Jahr 2014 lag die durchschnittliche Bezugsdauer bei 7 Monaten.

Auch in NÖ Mindestsicherung Phänomen der Städte

Hinzu kommen beachtliche Unterschiede zwischen den 21 Bezirken und 4 Statutar-Städten (Krems/Donau, Waidhofen/Ybbs, Wr. Neustadt und St. Pölten). Es zeigt sich, dass Mindestsicherung auch in NÖ vor allem ein Phänomen der Städte ist: Mit Ausnahme der vier Statutar-Städte lag der Anteil der BMS-BezieherInnen an der Bezirks-Bevölkerung im Jahr 2015 in nur 2 Bezirken über 2%. Hingegen lag er in 7 Bezirken bei 1% oder weniger. Mit Abstand am höchsten war der Anteil der Mindestsicherungs-BezieherInnen mit 5,1% in der Landeshauptstadt St. Pölten.

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In NÖ Anstieg von 0,5% auf 0,8% der Gesamtausgaben

Ebenso undramatisch gestaltet sich die Entwicklung der Ausgaben, betrachtet man sie im Kontext:

Von 2011 bis 2015 sind die jährlichen Aufwendungen des Landes NÖ für Mindestsicherung von € 45,5 Mio. auf € 70,5 Mio. gestiegen. Gemessen an den Gesamt-Ausgaben des Landes NÖ (2011: € 8.656 Mio., 2015: € 8.792 Mio.) entspricht das einem Anstieg von 0,5% auf 0,8%.

Grafik Ausgaben für Soziales in NÖ

Für das Jahr 2017 wurden BMS-Ausgaben in der Höhe von 105 Mio. € budgetiert. Das entspricht der 1,5-fachen Höhe der Ausgaben des Jahres 2015 für BMS. Sollten die Kosten für BMS im Jahr 2017 tatsächlich diese Höhe erreichen, dann würde das Land NÖ trotzdem nur 1,2% seiner Gesamtausgaben auf Mindestsicherung verwenden.

Unfaire Aufteilung der Finanzierungs-Verantwortung zwischen Gemeinden

An den Kosten der Mindestsicherung müssen sich neben den Bundesländern auch die Gemeinden, Städte bzw. Sozialhilfeverbände beteiligen. NÖ ist das einzige Bundesland in Österreich, in dem sich die Herkunftsgemeinde unmittelbar mit 50% an den Mindestsicherungs-Kosten beteiligen muss Dieses "Heimatprinzip" hat seine Ursprünge noch im Armenwesen des 19. Jahrhunderts. Das kann zu Überforderung führen: Gemeinden, in denen ein höherer Prozentsatz der Anspruchsberechtigten Leistungen geltend macht, haben hohe Kosten, Gemeinden mit wenigen Anspruchsberechtigten oder auch nur wenig AntragstellerInnen haben geringe bis keine Ausgaben. Das Heimatprinzip in der Finanzierungs-Verantwortung macht es auch attraktiv, Anspruchsberechtigte nach dem Floriani-Prinzip
loswerden zu wollen - in die nächste Stadt oder überhaupt ein anderes Bundesland. Die Armutskonferenz schlägt deshalb ein "Zweckzuschuss-Gesetz" vor: also ein Gesetz, dass die Länder und Gemeinden verpflichtet, das Geld, das sie im Rahmen des Finanzausgleichs erhalten, auch tatsächlich für die vorgesehenen Zwecke auszugeben.

Details in der Langversion: Faktencheck#4