Studie: Analyse der Armutsdiskurse in Österreich
Welche Erzählmuster gibt es? Wer kommt zu Wort? Worüber wird geschwiegen?
(24.11.2025) Während bestimmte Bilder von Armut in der Vorweihnachtszeit im Sinne der Wohltätigkeit eine Bühne bekommen, wird das Thema übers Jahr kaum oder nur sehr polarisierend dargestellt. Die Studie „Armutsdiskurs und Narrative in Österreich“ hat ein ganzes Jahr lang die Berichterstattung heimischer Printmedien analysiert. Und die Frage gestellt, in welchem Kontext Armut in Österreich dargestellt wird, welche Erzählmuster es gibt, wer zu Wort kommt und worüber geschwiegen wird.
In den Medien werden vor allem jene "Armutsbereiche" thematisiert, die emotionalisieren
Bei der Charity wird die emotionale Geschichte einer einzelnen Person erzählt, die meist „unverschuldet“ in Not geraten ist. Beim Themenbereich Sozialhilfe/Mindestsicherung werden wenige polarisierende Einzelfälle als plakative Beispiele angeführt, um die ganze Sozialhilfe zu diskreditieren.
Wenn sie weniger polarisiert, wenn sie weniger Extreme zeigt, aber dafür eher im Stillen, im schambehafteten Bereich ist, dann ist Armut ganz oft unsichtbar. Als Beispiele nennt die Studie die Working Poor (also Menschen, die trotz Arbeit nicht über die Runden kommen; Anm.), chronisch Kranke oder Armut bei älteren Personen. Dabei hätten diese Gruppen einen wesentlich größeren Anteil an der Gesamtbevölkerung.
Besonders stark betroffene Gruppen sind meist stark unterrepräsentiert
Betrachtet man die Armutsstatistik in Österreich, sieht man, dass Menschen mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen besonders stark von Armut betroffen sind. Auch die Gruppe der sogenannten Working Poor (also Menschen, die trotz Erwerbseinkommen finanziell nicht über die Runden kommen) oder ältere Menschen und Kinder sind relativ zur Gesamtgesellschaft eine wesentlich größere armutsbetroffene Gruppe als beispielsweise Asylberechtigte oder Obdachlose. Dennoch ist das Berichtsvolumen in den beiden zuletzt genannten Gruppen wesentlich höher. Zu beachten ist allerdings, dass diese Gruppenzuteilung diskursiv schematisch ist, Menschen sind in Wirklichkeit obdachlos und chronisch krank, working poor und zugewandert, können alt und behindert sein, haben also mehrere Dimensionen der Benachteiligung und mehrere Gruppenidentitäten gleichzeitig. Auch ist zu berücksichtigen, dass die verdeckte Wohnungslosigkeit sich in den Zahlen der registrierten Obdachlosigkeit nicht wiederfindet.
Armutsbetroffene selbst kommen in der Berichterstattung kaum vor
Die Medienanalyse zeigt, dass nur in etwa 8 Prozent der Gesamtberichterstattung Betroffene auch selbst zu Wort kommen. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die Unterscheidung der „deserving and undeserving poor“. Diese Begrifflichkeit beschreibt, ob armutsbetroffene Menschen bzw. Menschengruppen als unterstützungswürdig angesehen werden oder nicht. Das hängt stark von der medialen Inszenierung ab. Werden Menschen als bedürftig, sympathisch, dankbar und unverschuldet in Not geraten „inszeniert“, entsteht in der Regel ein viel positiveres Bild, mit dem vermittelt wird, dass diese Hilfe verdienen. Deshalb kommen armutsbetroffene Menschen in diesem Zusammenhang auch öfter persönlich zu Wort. Vor allem wenn es darum geht, im Rahmen einer Charity Spenden zu lukrieren, werden solche Einzelschicksale gerne vor den Vorhang geholt.
Diese mediale Form der stereotypen Inszenierung von „armen Opfern“ steht in scharfem Kontrast zu Hintergrundberichten, die einen stärkeren Fokus auf die Vielfalt von Armutsursachen haben und Strukturen und Rahmenbedingungen beleuchten und hinterfragen.
Sogenannte „undeserving poor“, also arme Menschen, die keine Hilfe verdienen, sind zumeist anonymisiert dargestellt. Das hängt auch damit zusammen, dass es durch die mediale Konstruktion von „„verdient Hilfe“ and “unwürdig“ auch zu sozialer Ausgrenzung kommt. Hier wird ein Stimmungsbild in der Gesellschaft geschaffen, das zu sozialer Ausgrenzung beiträgt.
Die Studie wurde beauftagt von Lebensgroß, Armutskonferenz und AK Wien; durchgeführt von Media Affairs.
Download Medienstudie: Armut im öffentlichen Diskurs




