Warnung: Im Schatten der Ukraine-Krise Arbeitslosenversicherung schwächen und soziale Ungleichheiten erhöhen

Problem Niedriglohn und Niedrigarbeitslosengeld: Arbeitslosengeld der Teuerung anpassen, Zuverdienst verkürzt Langzeitarbeitslosigkeit, Notstandshilfe präventiv stärken

(07.03.22). Die Armutskonferenz warnt davor, dass „im Schatten der Ukraine-Krise die Arbeitslosenversicherung geschwächt und gekürzt wird“. Das würde mit den Auswirkungen der Corona-Krise „die sozialen Ungleichheiten in Österreich massiv erhöhen", kommentiert das Netzwerk anläßlich der heutigen Enquete Minister Martin Kochers Pläne. Das Arbeitslosengeld ist in Österreich zu niedrig, egal ob nach zwei, sechs oder 14 Monaten. Wir haben bereits degressive, also mit der Zeit sinkende Leistungen für Erwerbsarbeitslose: nach Anwartschaft unterschiedlich hohes Arbeitslosengeld, niedrige Notstandshilfe und dann als letztes Netz allzu oft gekoppelt mit der bereits gekürzten, schlechten „Sozialhilfe“.

Studie: Niedriglohn und Niedrigarbeitslosengeld als Kettenreaktion in die Armut

In der Studie zu den sozialen Folgen der Corona-Krise fanden sich zwei Gruppen. Eine hat vor der Krise in schlecht bezahlten Jobs gearbeitet, hat keine Ersparnisse und bezieht sehr niedriges Arbeitslosengeld. Diese Menschen sind tatsächlich durch die Corona-Krise und ihren Jobverlust in Armut geraten. Die zweite Gruppe hatte einen gut bezahlten Job, im Idealfall finanzielle Rücklagen und einen ausreichend hohen AMS-Bezug. „Das zeigt wie wichtig ein existenzsicherndes und höheres Arbeitslosengeld ist“, betont die Armutskonferenz. Bei prekär Beschäftigten und „working poor“ offenbarte sich ein Muster besonders klar: die finanziellen Probleme wirken auf andere in der Familie weiter und bringen diese in einer Art Kettenreaktion ebenfalls in existentielle Schwierigkeiten.

Arbeitslosengeld Teuerung anpassen, Zuverdienst verkürzt Langzeitarbeitslosigkeit, Notstandshilfe stärken

Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe sind seit 20 Jahren nicht der Inflation angepasst worden. Die Betroffenen sind im Angesicht der Teuerungen gezwungen mit immer weniger auskommen. Hier sollte der Wertverlust ausgeglichen werden.

Der Zuverdienst verkürzt bei Langzeitarbeitslosen die Arbeitslosigkeit. Der Zuverdienst ist bei dieser Gruppe arbeitsmarktpolitisch sinnvoll. Das Problem bleibt, dass diese Jobs keine guten, auch sozialversicherungsrechtlich abgesicherten Arbeitsplätze sind. Einige AMS in Österreich versuchen deshalb gleichzeitig Betriebe zu bewegen, daraus regulären Anstellungen zu machen. „Für uns bei der Straßenzeitung Kupfermuckn und besonders beim Trödlerladen wäre das eine Katastrophe“, bewerten Betroffene aus Linz den Vorschlag, den Zuverdienst zum Arbeitslosengeld zu streichen. Im neuen Sozialhilfegesetz wurde das ja bereits abgeschafft, mit schlimmen Folgen. In der Schuldenberatung sind 40% der Ratsuchenden arbeitslos. Ohne Zuverdienst können viele ihre Schulden nicht regeln, und ohne Schuldenregelung kein Job wegen Lohnpfändung. Und: Gerade Menschen, die wegen psychischen Erkrankungen lange arbeitslos sind oder gar keinen Job finden können, sind in vielen Fällen von geringen Nebeneinkünften abhängig.

Zuverdienst sichert Chancen - Zum Beispiel für Franz

In der Krise konnte verhindert werden, dass Zehntausende in die Sozialhilfe fallen. Der Grund waren die sozialen Maßnahmen in den vorgelagerten Systemen der Notstandshilfe oder des Arbeitslosengeldes. Wer dort streicht und kürzt, erhöht die Betroffenen in der Sozialhilfe. Es kann ja vernünftigerweise kein Ziel sein, möglichst viele in die Sozialhilfe zu treiben.

Degression am Anfang verstärkt Fehlentwicklung des „Zwischenparkens“

Von den Arbeitgebern ist in der Debatte übrigens selten zu lesen. Besonders Bauindustrie, Tourismus und Arbeitskräfteüberlassung parken Arbeitslose beim AMS monatelang zwischen. Das kostet die Arbeitslosenversicherung 500 Millionen Euro jährlich. Eine bloße Degression am Anfang des Arbeitslosengeldes verstärkt diese Fehlentwicklung.

Und nur 54 Prozent der Unternehmen stellen Arbeitslose ein, nur bei 16 Prozent haben Langzeitbeschäftigungslose eine Chance. Es gibt große Unterschiede zwischen verschiedenen Unternehmen, selbst solche, die unter ähnlichen Bedingungen arbeiten; das ist ein Hinweis auf unausgeschöpfte Potentiale.

Arbeitslosenversicherungssystem erklärt nur einen Bruchteil der Arbeitslosigkeit

Die Höhe des Arbeitslosengeldes steht in keinem direkten Zusammenhang mit der Höhe der Arbeitslosigkeit. Wäre das so, müsste in den Ländern mit dem niedrigsten Arbeitslosengeld auch die niedrigste Arbeitslosigkeit zu verzeichnen sein. Das trifft nicht zu. Das Arbeitslosenversicherungssystem erklärt nur einen Bruchteil der Arbeitslosigkeit, während andere Faktoren wie Bildungs-, Finanz-, und Wirtschaftspolitik die zentrale Rolle spielen – oder exogene Schocks wie ein Virus oder Krieg.