Neujahrswunsch: Mehr Demokratie wagen! Gleicher Zugang zum Recht für alle.

Verwaltungs- und Demokratiepaket für und mit Armutsbetroffenen: Sozialanwaltschaften, Rechtshilfefonds, Unterstützung von Selbsthilfe

(30.12.2014) "Mehr Demokratie wagen", wünscht sich die Armutskonferenz vom neuen Jahr 2015. "Bei Verwaltungsreform und Demokratiepaket dürfen diejenigen nicht vergessen werden, die eine gute Verwaltung und gleichen Zugang zum Recht - egal ob arm oder reich- am meisten brauchen", erinnert Sozialexperte Martin Schenk Regierung und Parlament. "Ein bürgerfreundliches und grundrechtsorientiertes unteres soziales Netz verbessert den Schutz vor Armut. Barrieren auf den Ämtern aber verlängern die Notsituation. Gerade bei AMS oder Sozialamt sind verbesserte Rechtschutzangebote dringend erforderlich. Sozialanwaltschaften analog zu den Patientenanwaltschaften können zum Beispiel Interessen- und Rechtschutz für Betroffene sein", so das österreichweite Netzwerk aus 41 sozialen, wissenschaftlichen und Selbsthilfe Organisationen. Modelle von Arbeitslosenanwaltschaften wurden bereits in Oberösterreich und Wien ausgearbeitet. "Zeit wäre jetzt, sie auch umzusetzen".

Sozialanwaltschaften: Unabhängige Kontrolle

"Besonders auf den Sozialämtern wird in zahlreichen Studien ein willkürlicher und bürgerunfreundlicher Vollzug festgestellt", so Schenk. In anderen Feldern des Wohlfahrtstaates haben sich Beschwerde- bzw. Kontrollstrukturen etabliert: zum Beispiel im Gesundheitssektor die Patientenanwaltschaft oder bei Heimen die Bewohnervertretung oder für geschlossene Einrichtungen die Kommissionen der Volksanwaltschaft. Am Arbeitsamt und am Sozialamt aber gibt es bis jetzt keine unabhängigen Kontrollinstanzen für Betroffene. Eine Möglichkeit wäre hier gegenüber dem AMS eine Arbeitslosenanwaltschaft einzusetzen, die die Rechte von Erwerbslosen wahrt und Missständen nachgeht. Was es jedenfalls braucht, sind unabhängige Stellen, die über eine beraterische Funktion hinaus den Charakter von "Rechtsdurchsetzungsagenturen" haben. Sie müssen der Ort sein, wo sich potentiell Anspruchsberechtigte vor einer Antragstellung über ihre Rechte informieren können, und wo sie später auch die Rechtmäßigkeit ihres Bescheids überprüfen lassen können. Diese Beratungs- und Rechtsdurchsetzungsagenturen müssen mit der Kompetenz ausgestattet sein, im Auftrag ihrer Klienten gegen Bescheide zu berufen.

Benachteiligte kommen zu Wort: Selbstorganisation & Selbsthilfe

Große Herausforderungen finden sich auch bei Mitbestimmung und Partizipation Armutsbetroffener. Für eine bessere Bürgerbeteiligung müssen mit neuen Partizipationsprojekten besonders benachteiligte Bevölkerungsgruppen eingebunden werden. Da braucht es Instrumente und Verfahren, um diese Expertise auch in die politischen Entscheidungsstrukturen einfließen zu lassen: im Verwaltungsrat des AMS oder in Beratungsgremien für Minister oder in Strategieforen der Gesundheitsbehörden oder in Programmen der Gemeinden.
Sie können Einblicke und Lösungen erbringen, an die vorher nicht gedacht wurde. Sie beteiligen Bürgerinnen und Bürger aller Schichten, Einkommen und Herkunft an entscheidenden Fragen des Gemeinwesens. Nach diesem Vorbild können auch benachteiligte Bevölkerungsgruppen zu Wort kommen: Menschen mit Behinderungen, Armutsbetroffene, Erwerbslose, Pflegebedürftige und ihre Angehörigen. Die Unterstützung von Selbstorganisation und der Bildung von Selbsthilfegruppen ist hier aber zentrale Voraussetzung für Partizipation und Mitbestimmung. Daran mangelt es in Österreich hinten und vorne, so die Armutskonferenz abschließend.