Von Zinsen, Macht und Mindestquote

Ein Kommentar von Clemens Mitterlehner (ASB Schuldnerberatungen GmbH)

„Zinsen sind schlecht für arme Menschen und für die Reichen ist es eigentlich egal“ – so beschreibt mein 8-jähriger Sohn den Begriff Zinsen. Im Kern des Themas geht es um Macht. Diese liegt bei den Vermögenden, den Verleihenden. Die Leihenden, die KäuferInnen der Ware Geld haben sich Angebot und Nachfrage zu unterwerfen – mit kaum Gestaltungsspielraum. Dieses Ungleichgewicht wird in der Tatsache sichtbar, dass die Bonität den Preis des Geldes (also die Höhe der Zinsen) bestimmt. Je schlechter die Bonität, desto höher der Zins. Dabei müsste es doch genau umgekehrt sein, um jenen Menschen zu helfen, die sich hohe Zinsen nicht leisten können. Und für Reiche ist es – in den Worten meines Sohnes – doch „egal“, wie hoch der Zins ist.
Im Gespräch mit FreundInnen, KollegInnen und KlientInnen der Schuldenberatung fällt auf, dass kaum noch jemand versteht, wie der Geld- und Wirtschaftskreislauf funktioniert. Versucht man Antworten zu bekommen, sind diese entweder unverständlich hochkomplex, unzulässig vereinfacht (und daher tendenziell falsch) oder verschwörungstheoretisch-esoterisch. Der Schwenk in die Negativ-Zins-Politik setzt dem System die Krone auf. Plötzlich muss für das Verleihen von Geld bezahlt werden anstatt damit Erträge zu erwirtschaften. Man könnte meinen, dass diese Wende auch eine Umkehrung der Machtverhältnisse mit sich bringen würde – schließlich liegt der Ertrag des Handels mit der Ware Geld plötzlich auf der anderen Seite. Davon ist allerdings (noch?) nichts zu bemerken. Die Geldordnung gerät ins Wanken und erklären kann (sich) das kaum jemand noch.

In der täglichen Arbeit mit überschuldeten Personen ist es meist schon zu spät, um durch Drehen an der Zins-Schraube einen Ausweg aus der Überschuldung zu erreichen. Geplagt durch den Effekt von Zins, Zinseszins und Verzugszins sind ehemals bewältigbare Kapitalsbeträge in lichte Höhen gestiegen, die mit dem ursprünglich geliehenen Betrag kaum mehr etwas zu tun haben. Die Insolvenzeröffnung bedeutet zwar den Zinsenstopp, doch alles was bis dahin (meistens legal, aber nicht immer) an Zinsen verrechnet wurde, ist mit dabei im Schuldenberg. In Kombination mit der in Österreich vorgeschriebenen Mindestquote von zehn Prozent werden viele Menschen von einer Entschuldung ausgeschlossen, weil die Mindestquote nicht nur für das Kapital, sondern auch für Zinsen, Zinseszinsen, Verzugszinsen und Kosten der Betreibung gilt.

Zinsen produzieren also Überschuldung. Zu einer Abschaffung der Zinsen wird es wohl kaum kommen. Doch dass es auch ohne Mindestquote geht, zeigt das Insolvenzrecht in Deutschland. Dies fordern wir seit Jahren auch für Österreich. Die Politik ist aufgerufen, endlich zu handeln – im Sinne überschuldeter Menschen und letztlich auch im Sinne des Wirtschaftskreislaufes. Denn überschuldete Menschen haben keine Möglichkeit zur aktiven Teilnahme daran.

(aus: dasbudget Nr. 77, Juni 2016, siehe: http://www.schuldenberatung.at/fachpublikum/dasbudget/)

Veröffentlicht am 20.06.2016