„Teuerungspaket“: Wertanpassung Sozialleistungen, Klimabonus und Kindermehrbetrag bekämpfen und vermeiden Armut

Einkommensabhängiger Klimabonus aber sozial & ökologisch besser / Arbeitslosengeld, Wohnbeihilfe und Sozialhilfereform fehlen / Dotierung "Familienbonus" nicht sinnvoll / Finanzierungen offen

(17.06.22). „Am stärksten hilft einkommensschwachen Haushalten die Wertanpassung der Sozialleistungen, der Klimabonus und der Kindermehrbetrag. Der Klimabonus könnte einkommensabhängig gestaltet werden, um noch besser sozial auszugleichen und ökologisch zu wirken. Was fehlt, ist der Bereich der Arbeitslosenversicherung, die Wohnbeihilfe und die Reform der Sozialhilfe. Nicht sinnvoll ist die weitere Dotierung des sog. „Familienbonus“, der die ärmsten Kinder nicht erreicht.“ So fasst das Netzwerk Armutskonferenz das Anti-Teuerungspaket der Regierung zusammen.

„Die Wertanpassung bei Sozialleistungen ist wirksam.“ Direkte soziale Leistungen tragen entscheidend zum sozialen Ausgleich bei und wirken armutspräventiv. Sie reduzieren die Armutsgefährdung von 45% auf 14,7%. Am stärksten wirken Arbeitslosengeld, Notstands- und Mindestsicherung/Sozialhilfe sowie die Wohnbeihilfe. Aber auch Familienbeihilfe und Pflegegeld verteilen stark in das ärmste Einkommensdrittel, aber auch in die „untere Mitte“. „Deshalb ist es gut, wenn die Leistungen nicht nur an die Ärmsten gehen, sondern auch in die „untere Mitte“, um sie vor Absturz zu schützen“, analysiert die Armutskonferenz.

Arbeitslosengeld zu niedrig – Kürzungen verhindern

„Maßnahmen der Erhöhung des Arbeitslosengeldes dürften nicht im Paket sein, sie sind aber zentral für Armutsbekämpfung“, kritisiert die Armutskonferenz. Das Arbeitslosengeld ist in Österreich relativ niedrig, darin enthaltene Familienzuschläge sind seit 2001 nicht erhöht worden. „In jedem Fall müssen wir die Kürzung des Arbeitslosengeldes verhindern“, warnt die Armutskonferenz. „In ganz Österreich wird nach Möglichkeiten gesucht wie man die Betroffenen am besten vor dem Absturz bewahrt. Nur in der Arbeitsmarktpolitik schließt man noch immer nicht aus, bei den am meisten Gefährdeten zu kürzen.“

„Wir sitzen alle im selben Sturm. Aber wenn er kommt, gehen jenen als erstes die Kräfte aus, die schon bisher wenig Halt hatten.“ Besonders armutsgefährdet sind Kinder (30%), Alleinerzieherinnen (47%) und Arbeitslose (52%). Mit großen Problemen sind Menschen mit chronischer Erkrankung konfrontiert. Und die hohen Wohnkosten bringen viele an den Rand. Für 825.000 Menschen (13%) stellen die Wohnkosten bereits Ende 2021 eine schwere finanzielle Belastung dar. Insgesamt etwa 12% rechneten sogar damit, in den folgenden drei Monaten ihre Wohnkosten nicht mehr bezahlen zu können. Bei 7% kam es bereits zu Zahlungsrückständen, hier sind Arbeitslose am stärksten betroffen, zitiert die Armutskonferenz die Statistik Austria.

Wohnbeihilfe erhöhen / Sozialhilfe reformieren

Was jetzt besonders wichtig wäre, sind Entlastungen bei den Wohnkosten wie z.B. durch eine verbesserte Wohnbeihilfe. „Auf das wird in der Teuerungsdebatte bisher zu wenig Augenmerk gelegt“, kommentiert das Netzwerk Armutskonferenz. “Die Länder müssen die Wohnbeihilfe erhöhen. “Der Abzug der Wohnbeihilfe und die Kürzungen beim Lebensunterhalt in der Sozialhilfe führen zu massiven Problemen. Frauen und Kinder haben zu wenig zum Wohnen und zu wenig zum Leben. Um ihre Miete zu zahlen, müssen die Betroffenen das aufbrauchen, was eigentlich für den notwendigsten Lebensunterhalt vorgesehen wäre. „Hungern für die Miete“, bringt es die Armutskonferenz auf den Punkt. Bei der Sozialhilfe braucht es dringend weitere Reformen, allen voran die Gewährung und Erhöhung der Wohnbeihilfe.
Investitionen in den sozialen Wohnbau wären sinnvoll, da gibt es in vielen Teilen Österreichs noch großen Aufholbedarf. Auch die Flächenwidmung muss mithelfen, günstigen Boden für sozialen und gemeinnützigen Wohnbau zur Verfügung zu stellen. Diese Maßnahmen wirken allerdings mittelfristig.
Und beim aufgestockten „Wohnschirm“ des Sozialministeriums, der Mietrückstände übernimmt, müssen die Energiekosten mit abgedeckt werden, erinnert die Armutskonferenz die Regierung, das im Paket nicht zu vergessen.

Einkommensabhängiger Klimabonus / Finanzierung progressiver gestalten

„Beim Klimabonus allerdings gibt es eine soziale und eine ökologische Agenda, die besser mit einem einkommensabhängigen Ökobonus abgedeckt werden würde“, argumentiert die Armutskonferenz. Unser Vorschlag hier wäre, dass "alle Personen mit einem Einkommen bis zur Bemessungsgrundlagengrenze von 31.000 Euro jährlich einen Klimabonus erhalten, unabhängig vom Wohnsitz. Personen mit Einkommen darüber müssen mit einem Abschlag rechnen, wobei sich die Auszahlung bis zu einem besteuerbaren Einkommen von 60.000 Euro auf 0 Euro reduziert."
Die Finanzierung des Klimabonus ist zur Zeit ausschließlich über die Co2 Besteuerung angedacht, eine Einnahmenquelle, die ärmere Haushalte anteilsmäßig viel stärker belastet als reiche Haushalte. Da braucht es zum Ausgleich eine Finanzierung über andere, progressive Einkunftsarten insbesondere Vermögen, so die Armutskonferenz.

Erhöhung „Familienbonus“ nicht sinnvoll

Nicht sinnvoll ist die weitere Dotierung des sog. „Familienbonus“. Der steuerliche „Familienbonus“ erfüllt viele Ziele nicht, die für das gute Aufwachsen von Kindern wichtig sind: allen Kindern Chancen geben, allen die Existenz sichern, allen Kindern soziale Teilhabe ermöglichen. Am meisten bekommen die reichsten 20% der Familien, am wenigsten die ärmsten 20%, mehr als 150.000 Kinder „ganz unten“ bekommen gar nichts. Das Geld des „Familienbonus“ könnte man klüger und fairer anlegen, immerhin zwei Milliarden Euro.

Teuerungsausgleich für soziale Einrichtungen Not-wendig

Ohne zusätzliche Mittel wirken sich die massiven Kostensteigerungen negativ auf die Versorgungsqualität - und daher Lebensqualität - von vulnerablen Personen aus, die in Sozialeinrichtungen wie Frauenhäuser oder betreutem Wohnen für Wohnungslose leben. „Es braucht einen Teuerungsausgleich für soziale Einrichtungen und ihre BewohnerInnen“, fordert das Netzwerk Armutskonferenz. Schließlich müssen in Sozialeinrichtungen sämtliche Kosten über die Tagsätze abgedeckt werden. Ohne zusätzliche Mittel, die die Energiekosten ausgleichen, ist die Konsequenz, dass entweder der Umfang oder die Qualität der Angebote eingeschränkt werden müssen, was sich negativ auf die Lebensqualität der Bewohner*innen auswirkt.

Windfall-Profits bei Energie gezielt zur Entlastung einsetzen

„Windfall-Profits“ und Übergewinne sollten gezielt zur Entlastung privater Haushalte eingesetzt werden. Windfall-Profits sind der Inflation und spezifischer Preisbildung geschuldete hohe Unternehmensgewinne. Das ist bei vielen Energieunternehmen gerade der Fall.

„Lohnnebenkosten“ sind zentrale Sozialstaatsbeiträge, nichts "Nebensächliches"

Die sog. „Lohnnebenkosten“ sind Beiträge zu unserer sozialen Sicherheit, sie sind zentral zur Finanzierung des Sozialsystems. „Zentrale Sozialstaatsbeiträge fortlaufend zu senken, ist nicht nachhaltig und sinnvoll, wenn es um die Finanzierung unserer sozialen Sicherheit geht“, warnt die Armutskonferenz. Sie dienen der Pensionsfinanzierung, fließen in das Gesundheitssystem oder kommen über die Familienbeihilfen Familien zugute. Es ist also keineswegs so, dass Lohnnebenkosten Einkommen schmälern. Sie finanzieren vielmehr Einkommen in besonderen Lebenssituationen und Krisen. Darüber hinaus zahlen die Arbeitgeber auf die Lohnsumme die Kommunalabgabe, die den Gemeinden zugutekommt. Damit werden Leistungen der Gemeinden wie beispielsweise Kinderbetreuungseinrichtungen finanziert. „Die Finanzierung der sozialen Sicherheit braucht nachhaltige und gerechte Beiträge, diese Frage müssen wir in den nächsten Jahren beantworten können“, so das Netzwerk Armutskonferenz abschließend.