Auswirkungen Mindestsicherungsgesetz: Frauen und Kindern in Not Existenz gestrichen

Armutskonferenz zeigt Auswirkungen der Kürzungen auf: Frauen in Notwohnungen jegliche Chance auf Neuanfang genommen

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(02.10.2017) „Frauen, die Notwohnungen in Anspruch nehmen, werden jegliche Chancen genommen, sobald sie einziehen – die Kürzungen schlagen hier voll durch“, zeigt die Armutskonferenz Auswirkungen der Einschnitte in Niederösterreich auf. „Die Absicht, dass Frauen im Krisenwohnraum ihr Leben ordnen und ihre Finanzen in Ordnung bringen und nach einer Auszeit ihr Leben in einer eigenen Wohnung neu starten, wird durch diese Kürzungsdeckelung torpediert“, so das Netzwerk, dessen Mitglieder 500.000 Menschen im Jahr betreuen, begleiten und unterstützen.

Die Frauen, die hier wohnen sind einander fremd und befinden sich nur zufällig zur selben Zeit am selben Ort. Die Frauen wohnen nicht gänzlich freiwillig hier, sondern sind durch bestimmte Problemlagen dazu gezwungen. Die Frauen bilden keine Gemeinschaft im Sinn einer Familien- oder Beziehungssituation. Die Frauen sind keine Mieterinnen und alles was sie benutzen gehört ihnen nicht, sie zahlen für die Benutzung dieser Dinge einen finanziellen Beitrag, der in der Höhe einer Miete nicht nahe kommt.

"Statt Menschen zu AlmosenempfängerInnen zu machen, gehört das Mindestsicherungsgesetz geändert, damit es Armut bekämpft und nicht Armutsbetroffene noch ärmer macht", so die Armutskonferenz.

Faktencheck: 1.500€-Deckelung in der NÖ Mindestsicherung


2 Fallbeschreibungen des Krisenwohnraums

Fall 1 - Kürzungen aufgrund der "Deckelung"

Österreichische Staatsbürgerin, 59 Jahre alt, arbeitssuchend, obdachlos, da der Vermieter die ehemalige Wohnung selbst braucht, findet keine leistbare Wohnung, zieht mit 1.6.2017 im Krisenwohnraum ein, bezieht BMS in der Höhe von € 844,46.

Mit Bescheid vom 11.7.2017 wird vom Sozialamt folgendes mitgeteilt – Zitat:
„In dieser Einrichtung ändert sich ab 1.6.2017 der Mindeststandard, da mehr Personen in dieser Einrichtung gemeldet sind. Für Sie gilt daher ab 1.6.2017 der Mindeststandard für eine volljährige Person, die mit anderen volljährigen Personen im gemeinsamen Haushalt lebt. Weiters greift die Deckelung der Mindestsicherung.
Aufgrund dieser Sachverhaltsänderung gebührte Ihnen ab dem 1.6.2017 lediglich eine Leistung in Höhe von € 226,81. …jedoch wurde der Betrag in der Höhe von € 844,46 ausbezahlt, wodurch Sie Leistungen in der Höhe von € 617,65 zu Unrecht bezogen haben. Es wird daher beabsichtigt Sie zur Rückerstattung der zu Unrecht bezogenen Leistungen zu verpflichten.“

Da es ja mit dem Land NÖ die Vereinbarung gibt, dass Bewohnerinnen des Krisenwohnraums nicht der Deckelung unterliegen, wandert der Akt weiter an das Land NÖ, Abteilung Soziales GS 5, damit diese, wie vereinbart im Wege einer Subvention die BMS auf die richtige Höhe aufstockt. Dort liegt der Akt bis dato, ohne Rückmeldung. Auf Anfrage vorige Woche wird mitgeteilt, dass die Frau € 406,54 erwarten darf, aber wann? Damit bekommt sie 633,35, den sogenannten BMS Mindeststandard für volljährige Personen in Haushaltsgemeinschaft- das sind 75% des Vollanspruchs von € 844,46.

Dieser Fall dokumentiert sehr genau welche Probleme und Grauslichkeiten die Neuregelung der BMS in NÖ bereitet. Frauen, die den Krisenwohnraum in Anspruch nehmen werden noch ärmer, sobald sie einziehen - konkret in diesem Fall um € 211,11, obwohl der Krisenwohnraum weder eine Wohngemeinschaft noch eine Haushaltgemeinschaft darstellt, denn:

  • Die Frauen, die hier wohnen sind einander fremd und befinden sich nur zufällig zur selben Zeit am selben Ort
  • Die Frauen wohnen nicht gänzlich freiwillig hier, sondern sind durch bestimmte Problemlagen dazu gezwungen
  • Die Frauen bilden keine Gemeinschaft im Sinn einer Familien- oder Beziehungssituation
  • Die Frauen versorgen sich selbst, nicht einander - ihre Lebensmittel befinden sich in verschließbaren Kühlschrankboxen, sie sind nur für sich selbst verantwortlich, haben keine Sorgepflichten gegenüber den anderen
  • Die Frauen sind keine Mieterinnen und alles was sie benutzen gehört ihnen nicht, sie zahlen für die Benutzung dieser Dinge einen finanziellen Beitrag, der in der Höhe einer Miete nicht nahe kommt

Die Absicht, dass Frauen im Krisenwohnraum ihr Leben ordnen und ihre Finanzen in Ordnung bringen und nach einer Auszeit ohne Sorgen ihr Leben in einer eigenen Wohnung neu starten, wird durch die oben geschilderte Vorgangsweise torpediert!
Die Bürokratie, bis Anspruchsberechtigte die tatsächliche Höhe der BMS bescheidet kriegen ist unmenschlich, eine Wartezeit von 4 Monaten wie in diesem Fall ist unannehmbar. Weiters möchte ich betonen, dass die geschilderte „!Subventionslösung!“ keine Dauerlösung sein kann, denn immerhin gibt es einen Rechtsanspruch auf die BMS, aber eben nicht auf die Subvention, die jederzeit widerrufen werden kann und die Anspruchsberechtigte zu AlmosenempfängerInnen degradiert.

Für das Projekt Krisenwohnraum bedeutet es, dass die Finanzierung immer schwieriger wird, weil es unmöglich ist, einer Frau mit einem Einkommen von 226,81 € Geld für das Wohnen weg zu nehmen, auch bei 633€ ist es fast unmöglich – das Land NÖ fordert aber vertragsgemäß eine Eigenfinanzierung des Projekts von 20% der Projektkosten

Fall 2 - Mindeststand Integration trifft auch ÖsterreicherInnen

Österreichische Staatsbürgerin, 58 Jahre alt, Arbeitslosengeldanspruch von € 14,95 täglich, alleinstehend. Von September 2015 bis September 2016 war sie sechs Mal mehrere Wochen für Arbeitseinsätze im Ausland. Sonst war sie immer in Österreich, war allerdings lange nicht hauptgemeldet (auch 2010-2015 und Ende 2016). Einzug in den Krisenwohnraum am 10.1.2017, Auszug am 4.4.2017

Im Sozialversicherungsdatenauszug finden sich nur einige kürzere (teils geringfügige) Beschäftigungen, sodass auch hieraus nicht klar hervorgeht, dass sie hier war. Die BH entschied, als Aufstockung zum ALG - BMS Integrationsstandard zuzusprechen.

Bescheid vom 24.1.2017 – Zitat:
„In der Zeit vom 1.2.2017 bis 31.3.2017 liegt das Einkommen auf Grund der Deckelung der Mindestsicherung über dem Mindeststandard zur Deckung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfs, weswegen in dieser Zeit keine Geldleistungen gewährt werden. Für April 2017 erhält Frau… eine Geldleistung in Höhe von € 77,47, sowie ab 1.5.2017 längstens bis 31.7.2017 eine monatliche Geldleistung in Höhe von € 124,00.
Frau… hat sich in den letzten sechs Jahren weniger als fünf Jahre in Österreich aufgehalten. Daher gelten die Mindeststandards- Integration nach §11a NÖ MSG.

Der Mindeststandard Integration bezieht sich auf Österreicherinnen und EU-BürgerInnen, sowie Frauen aus Drittstaaten – allen, die sich in den letzten 6 Jahren, weniger als 5 Jahre in Österreich aufgehalten haben.