Armut in Österreich: Soziales Netz wirkt präventiv - aber keine Entspannung

400.000 Menschen in existentiell schwierigsten Lebensbedingungen sind für ein so reiches Land wie Österreich in jedem Fall zu viel

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(02.05.2017) „Soziales Netz wirkt präventiv – aber keine Entspannung“, kommentiert die Armutskonferenz die konstant hohen Armutszahlen in Österreich. 300.000 bis 400.000 Menschen in existentiell schwierigsten Lebensbedingungen sind für ein so reiches Land wie Österreich in jedem Fall zu viel. 410.000 können als „manifest arm“, 257.000 als „erheblich materiell depriviert“ bezeichnet werden. Sie sind von einem sehr schlechten allgemeinen Gesundheitszustand, chronischer Krankheit und starken Einschränkungen bei Alltagstätigkeiten betroffen - dreimal so stark wie der Rest der Bevölkerung. Auch die Wohnqualität ist mehr als prekär und die Wohnkostenbelastung hoch. Bei 84.000 Menschen treten drei Indikatoren zusammen auf: einkommensarm, ausgegrenzt und Probleme am Arbeitsmarkt.

Zukunftschancen von Kindern verbessern

Was Einschnitte in das untere soziale Netz bei Notstand, Krankheit oder Mindestsicherung bedeuten, kann bei den Folgen für Kinder sichtbar werden: 52.000 Kinder leben jetzt schon in Haushalten, die die Wohnung nicht angemessen warm halten können. 171.000 Kinder sind nicht in der Lage, einmal im Monat Freunde zu sich nach Hause einzuladen. 234.000 Kinder müssen in überbelegten Wohnungen leben, 223.000 Kinder wohnen in feuchten und schimmligen Zimmern. Mehrere Tausend müssen einen notwendigen Arztbesuch aus Kostengründen aufschieben.

Hier gibt es große Herausforderungen: Wachsende Ausgaben in den zentralen Positionen Wohnen, Energie und Ernährung machen große Probleme, gesundheitliche Beeinträchtigungen und psychische Erkrankungen, schlechte und prekäre Jobs, Einsamkeit und Beschämung machen einer großen Zahl von Menschen zu schaffen. Die neuen sozialen Risken ("new social risks") liegen quer zu den klassischen Risken sozialstaatlicher Sicherungssysteme: neue Selbständige, prekäre Beschäftigung, Lebensrisiko Pflege, Behinderungen und Migration.

Sozialstaatliche Instrumente können Absturz präventiv verhindern

Was auffällt: Die Haushalteinkommen bleiben in Österreich insgesamt stabil. Die Höhe der Einkommensarmut bleibt konstant (Unterschiede liegen innerhalb der Schwankungsbreite). Das ist sehr ungewöhnlich im Vergleich zu anderen europäischen Staaten. Ohne Sozialleistungen und soziale Dienstleistungen wären auch mittlere Haushalte massiv unter Druck und stark abstiegsgefährdet.

Was wir bei der Einkommensmessung aber nicht exakt sehen, sind die Ausgaben. Besonders die Bereiche Wohnen, Energie und Ernährung sind inflationsbedingt am stärksten gestiegen. Das sind genau jene Ausgaben, die bei einkommensärmeren Haushalten den größten Teil des Monatsbudgets ausmachen. Dabei werden diese Lebenslagen noch unterschätzt, da es sich hier um eine Statistik von Privathaushalten handelt und Notunterkünfte, Heime, Psychiatrien etc. nicht erfasst sind.

Einige Armutsindikatoren sinken seit 2008 - aber leider nur auf das hohe Niveau von vor der Krise. Die langfristige Entwicklung seit 2004 zeigt konstant hohe Armutslagen, auch im Vergleich mit dem letzten Jahr bleibt die Höhe von Armut weitgehend stabil.

Weitere Informationen zu aktuellen Armutszahlen: www.statistik.at