Halbzeit - Wie steht das Match um soziale Rechte in Österreich?

„Mit Recht gegen Armut“: Zeit zu handeln in der zweiten Hälfte. Brief & Grundlagenpapier an neues Regierungsteam Österreichs

(06.07.2016) In einem offenen Brief an Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner übermittelt die Armutskonferenz dem „neuen Regierungsteam Österreichs“ das Grundlagenpapier „Mit Menschenrechten gegen Armut“. „Wir haben jetzt Halbzeit im Match um soziale Rechte in Österreich. Der nächste Bericht an den Sozialauschuss der UNO ist im November 2018 fällig".

Im Herbst 2013 wurde Österreich vom Sozialausschuss der UNO zum Stand der Umsetzung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller (WSK) Menschenrechte in Österreich geprüft. Ergebnis der Prüfung waren 27 Empfehlungen an die österreichische Bundesregierung, die bis heute nur marginal umgesetzt sind. „Zeit zu handeln in der zweiten Hälfte“, so die Armutskonferenz, denn: „Statt einer Umsetzung der im internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte verbrieften Rechte, gibt es gegenwärtig gravierende Rückschritte“, bedauert die Armutskonferenz:

• Recht auf einen angemessenen Lebensstandard: Zuletzt wurde in Oberösterreich und Niederösterreich die bedarfsorientierte Mindestsicherung für subsidiär Schutzberechtigte auf die Hälfte gekürzt. Wir wissen aus der Praxis, dass Bezugsstopps bei Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Mindestsicherung die Betroffenen in eine existenzielle Bedrohung stürzen.

• Die Wohnungslosigkeit nimmt sowohl in der Stadt als auch auf dem Land zu. Viele Menschen können sich eine Wohnung auf dem freien Markt nicht leisten. Selbst geförderte Objekte sind für junge Familien unerschwinglich geworden. In Niederösterreich wird sogar die Wohnbeihilfe auf die Mindestsicherung angerechnet.

• Recht auf Arbeit: Laut EU-SILC 2015 gelten in Österreich 297.000 Menschen als „Working Poor“, d.h. ihr Haushaltseinkommen liegt trotz Erwerbstätigkeit unter der Armutsgefährdungsschwelle. Die Arbeitslosigkeit hat im letzten Winter einen Höchststand erreicht.

• Recht auf Bildung /Rechte von Kindern und Jugendlichen: Der Bildungsabschluss von Kindern hängt in Österreich zu stark vom sozialen Status der Eltern ab. Die gesetzlichen Regelungen laut B-VG Artikel 14 (5a), Bürger_innen ein höchstmögliches Bildungsniveau in bestmöglicher Qualität zukommen zu lassen, unabhängig von deren Herkunft, sozialer Lage und finanziellem Hintergrund, werden nicht eingehalten!

• Recht auf Gesundheit: Das Gesundheitssystem wird von Armutsbetroffenen als Zwei-Klassen-System erlebt. Der Zugang zu diversen Gesundheitsleistungen ist für sie erschwert. Nachteile entstehen vor allem bei Heilbehelfen, für die ein Selbstbehalt zu bezahlen ist: Zahnersatz, Brillen, Hörgeräte kosten Geld. Wahlarzthonorare, Physiotherapie, Psychotherapie oder ähnliches sind für Armutsbetroffene zumeist unerschwinglich. Für Zuwander_innen ist der Zugang zum Gesundheitssystem zusätzlich durch die Sprachbarriere eingeschränkt.

Ressourcen mobilisieren für soziale Menschenrechte

In Artikel 2.1. des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte (kurz UN-Sozialpakt genannt) werden die Mitgliedsstaaten aufgefordert „ein Maximum der zur Verfügung stehenden Ressourcen zur fortschreitenden Verwirklichung der im Pakt verbrieften Rechte einzusetzen“. Die „Maastricht-Leitlinien“ über die Verletzungen von WSK-Rechten stellen klar, dass es einer Verletzung der Rechte gleich kommt, wenn eine Regierung dieser Forderung nicht nachkommt. Magdalena Sepulveda, unabhängige Expertin der UN für Menschenrechte und Armut, hält fest, dass Regierungen alle Möglichkeiten ausschöpfen müssen, um Ressourcen im Land zu mobilisieren.

Die Armutskonferenz erinnert Kanzler & Vizekanzler, die Empfehlungen des UNO Sozialausschusses als „prioritäre Aufgabe der Bundesregierung wahrzunehmen“. Um mit politischen Entscheidungsträger_innen auf einer fachlichen Ebene in Austausch zu treten, stellen wir die von Österreich unterzeichneten Menschenrechtsverträge in den Vordergrund und wollen auf die vielfältigen Verletzungen der darin verbrieften Rechte aufmerksam machen. Im Grundlagenpapier „Mit Menschenrechten gegen Armut“ bringen wir eine Bestandsaufnahme der menschenrechtlichen Lage mit den Empfehlungen des UN- Sozialausschusses und den konkreten Vorschlägen der Mitgliedsorganisationen der Armutskonferenz in Verbindung.

zum Grundlagenpapier „Mit Menschenrechten gegen Armut“