Mindestsicherung | Monetäre Grundsicherung

Monetäre Grundsicherung für ein Leben in Würde

Monetäre Grundsicherung

Geld ist nicht alles – wie viel man davon braucht, um ein Leben in Würde führen zu können, hängt ganz wesentlich davon ab, welche Lebens- und Teilhabechancen über das Bildungs- und Gesundheitssystem, öffentlichen Verkehr, sozialen Wohnbau etc. bereitgestellt werden. Dennoch ist die Verfügbarkeit über ein existenzsicherndes Mindesteinkommen in einer geldbasierten Gesellschaft wie der unseren auch dann unverzichtbar, wenn es einen ausgebauten Bereich der so genannten Daseinsvorsorge gibt.

Der österreichische Sozialstaat kennt viele Sozialleistungen. Die Bereitstellung eines existenzsichernden Einkommens ist dabei aber nur ein Sicherungsziel von mehreren – und dabei nicht das vordringlichste. Sozialversicherungsleistungen schützen vor Krankheit, Alter, Unfall und Arbeitslosigkeit. Die Position, die jemand auf dem Arbeitsmarkt erreicht hat, hat hier Auswirkungen im Bereich der sozialen Sicherheit. Das heißt zum Beispiel: wer einen schlecht bezahlten Arbeitsplatz hatte, bekommt auch ein niedriges Arbeitslosengeld. Universelle Sozialleistungen wie z.B. Pflegegeld oder Familienleistungen sollen zu einer Vergesellschaftung eines Teils der Kosten führen, die vom einzelnen bzw. seiner Familie nicht allein getragen werden sollen. Der konkrete Bedarf steht hier nicht zur Debatte, es gilt: „jede/r Pflegebedürftige bzw. jedes Kind ist dem Staat gleich viel wert“.

Die Grundprinzipien des österreichischen Systems der sozialen Sicherheit wurden vor langer Zeit festgelegt. Gleiches gilt für die Annahmen, auf denen der Sozialstaat aufbaut, wie Vollbeschäftigung, Vollzeitbeschäftigungs-Verhältnisse, Ernährerlöhne für Männer und Zuverdienstlöhne für Frauen. Die sozialen Realitäten haben sich seither stark gewandelt: es gibt strukturelle Erwerbslosigkeit, unfreiwillige Teilzeitarbeitsverhältnisse und nicht existenzsichernde Jobs, viele AlleinerzieherInnen- Haushalte etc. Weil sich die Vergaberegeln für soziale Leistungen aber nur ein Stück weit diesen veränderten Rahmenbedingungen angepasst haben und Mindestleistungen weitestgehend fehlen, weist das sogenannte erste Netz der sozialen Sicherheit aktuell viele Lücken auf. Immer mehr Menschen sind deshalb auf (zusätzliche) Unterstützung durch das zweite Netz der sozialen Sicherheit angewiesen und damit auf jene Sozialleistungen, die nur im Falle von Bedürftigkeit gewährt werden.

Neben der Ausgleichszulage in der Pensionsversicherung (sogenannte „Mindestpension“) stellt die Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) die bedeutsamste Fürsorgeleistung dar. Sie soll nun für einen stetig wachsenden Kreis von Personen eben jenes bescheidene Existenzminimum garantieren, das Arbeitsmarkt und vorgelagerte Sicherungssysteme nicht gewähren. Dieser Aufgabe kommt die Bedarfsorientierte Mindestsicherung eher schlecht als recht nach. Das gilt zum einen für das Sicherungsniveau, denn die Höhe der BMS ist nicht an reale Lebenshaltungskosten rückgebunden. Zum anderen sind es die Rechte und Pflichten in der BMS, die mit moderner Sozialstaatlichkeit schlecht vereinbar sind. Denn sie entstammen, wenn auch da und dort abgemildert, dem Armenwesen des 19. Jahrhunderts: Subsidiaritätsprinzip (oder auch: Nachrangigkeitsprinzip), Unterhaltspflicht von Angehörigen, Herkunftsprinzip bzgl. Anspruch und auch Kostenträgerschaft, strenge Sanktionierungen, Lohnabstandsprinzip, Vermögensverwertung.

Zentrale Forderungen

  • Einkommensarmut dort bekämpfen, wo sie entsteht
    Strukturelle Arbeitslosigkeit, nicht existenzsichernde Bezahlung, unfreiwillige Teilzeitarbeit und unsichere Jobs können und sollen nicht mit Sozialleistungen bekämpft werden. Dafür braucht es andere Steuerungs-Maßnahmen, die in den Bereich der Beschäftigungs-, Arbeitsmarkt, Steuer- und Wirtschaftspolitik fallen.
  • Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung entlasten
    Die Mindestsicherung ist nicht so konzipiert, dass sie die Aufgaben, die sie erfüllen soll, tatsächlich gut erfüllen könnte. Ziel muss es sein, neben Maßnahmen in anderen Feldern der Politik (siehe oben) auch das erste Netz der sozialen Mindestsicherung „armutsfester“ zu machen. Dabei kommt der Einführung von Mindestleistungen – wie z.B. einem Mindestarbeitslosengeld – eine zentrale Rolle zu.
  • BMS: Wo Existenzsicherung draufsteht, muss auch Existenzsicherung drin sein.
    Als letztes Glied in der Kette muss die Bedarfsorientierte Mindestsicherung ein bescheidenes, aber von extremer Not freies Leben sicherstellen können. Dieses Recht muss für alle Menschen, die legal in Österreich leben, gelten, und damit z.B. auch für Personen mit befristetem Aufenthaltstitel, die aufenthaltsverfestigt sind, also zumindest schon 5 Jahre legal in Österreich leben und deshalb nicht mehr aus dem Grund der „Mittellosigkeit“ abgeschoben werden können. Das geht nur, wenn die Höhe an tatsächliche Lebenshaltungskosten rückgebunden wird. Dafür sollte man das ausgefeilte Instrument der Referenzbudgets bzw. minimum income standards heranziehen. Zudem besteht auf eine Reihe von BMS-Leistungen derzeit nur in wenigen Bundesländern ein Rechtsanspruch – das muss sich ändern.
  • Moderne monetäre Mindestsicherung braucht moderne Spielregeln
    Während Erbschaften und Schenkungen in den letzten Jahren steuerbefreit wurden, dürfen BMS-BezieherInnen nur ein kleines „Schonvermögen“ behalten. Während die einen der nachkommenden Generation im Namen des Schutzes der Familie große Vermögen übertragen dürfen, ohne dass ein einziger Steuercent dafür fällig würde, müssen volljährige BMS-BezieherInnen ihre mitunter greisen Angehörigen vielfach auf Unterhalt klagen, um die Mitwirkungspflichten in der BMS zu erfüllen. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen – und die harten Bestimmungen der BMS führen dazu, dass viele Menschen trotz extremer Not keinen Antrag stellen. Das ist nicht nur ungerecht, sondern hinsichtlich der Möglichkeiten und Notwendigkeiten einnahmen- und ausgabenseitiger Umverteilung auch aus einer ökonomischen Perspektive unsinnig.
  • Anstrengungen für einen einheitlichen, rechtskonformen und kundenfreundlichen Vollzug setzen
    Auf vielen Sozialämtern wird sehr engagierte, am Wohl der AntragstellerInnen orientierte Arbeit geleistet. Wenn wir als Armutskonferenz den Vollzug der BMS kritisieren, dann richtet sich unsere Kritik nicht pauschal gegen die einzelnen Ämter und schon gar nicht gegen ihre MitarbeiterInnen (auch wenn Kritik im Einzelfall auch hier berechtigt ist), sondern gegen die Sozialplanung der Länder. Rückfragen bei unseren Mitgliedern zeigen: auch unter der BMS ist der Vollzug zwischen den einzelnen Sozialämtern mehrheitlich uneinheitlich, rechtswidriger Vollzug ist nach wie vor ein Faktum (wenn auch oft aus Unwissenheit) und es fehlen personelle Ressourcen, die z.B. zu unvertretbar langen Terminwarte- und Antragsbearbeitungszeiten führen.

Weitere Informationen

Sozialpolitische Datenbank "Alles über und gegen Armut": Kartegorie Mindestsicherung | Monetäre Grundsicherung

Aktivitäten: Mindestsicherungs-Monitoring