„Gut genug fürs Putzen und Pflegen – nicht aber für Mitbestimmung und Aufenthaltssicherheit“

Prüfung des VfgH auf Diskriminierung der Einkommensbestimmungen im Staatsbürgerschaftsrecht wichtig und überfällig.

(07.11.2012) „Statt Armut zu bekämpfen werden die Armen bekämpft.“ Die Armutskonferenz hält die Prüfung der Einkommensdiskriminierung für hier lebende und arbeitende Personen mit Migrationshintergrund durch den Verfassungsgerichtshof für „wichtig und längst überfällig“.

„Viele putzen in den privaten Haushalten, reinigen die Büros, pflegen die Omas der selbsternannten Leistungsträger. Diese Jobs sind prekär und schlecht bezahlt. Ist ihre Leistung aber dafür eine geringe? Wenn sie krank werden oder kurzfristig den Job verlieren, ist das ein Grund sie von Mitbestimmung und Aufenthaltssicherheit auszuschließen? Sie sind also gut genug den Dreck wegzuräumen, aber nicht dafür Anrechte für Aufenthaltssicherheit und Mitbestimmung zu erwerben“, kritisiert die Armutskonferenz.

Seit Ende der 90er nehmen prekäre, unsicher und schlecht bezahlte Jobs zu. Die Wirtschaftskrise hat auch einen Teil der unteren Mittelschichten unter Abstiegsdruck gebracht. Im unteren Lohnsegment arbeiten seit der alten Gastarbeiterpolitik zu einem großen Teil Migranten, dafür wurden sie geholt. Gleichzeitig verzeichnete Österreich in den letzten Jahren eine höher qualifizierte Zuwanderung, die lange nicht wahrgenommen wurde. Drittstaatenangehörige müssten ihrer Ausbildung entsprechend eigentlich um dreißig, Eingebürgerte um zwanzig Prozent mehr verdienen. Sie werden aber weit unter ihrer Qualifikation beschäftigt.

Für Krankheit, Arbeitslosigkeit, schlechte Bezahlung auch noch bestaft

Die Staatsbürgerschaft (in den vergangenen 3 Jahren kein einziger Tag Bezug von Sozialhilfe, dafür ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von mehr als 814,82 Euro + Anteil der Mietkosten + 125,72 Euro für jedes Kind + Kreditraten) wurde so angesetzt, dass mehr als ein Fünftel der österreichischen Gesamtbevölkerung daran scheitern würden. Unter den weiblichen Arbeiterinnen sind es sogar etwa 70 Prozent, die allein dieses Kriterium nicht erfüllen könnten. Für Krankheit, kurzfristige Arbeitslosigkeit oder geringe Bezahlung werden die Betroffenen mit Ausschluss bestraft. Das widerspricht dem Gebot der Gleichbehandlung und dem Diskriminierungsverbot.

Mindestsicherung Überbrückungshilfe: 25% für 1 bis 3 Monate

Empirische Untersuchungen aus Wien zeigen, dass für die große Mehrheit die Mindestsicherung eine kurzfristige Überbrückungshilfe darstellt. Die durchschnittliche Bezugsdauer beträgt rund 7 Monate, bei 25 Prozent bloß 1 bis 3 Monate. Nur rund 10 Prozent der Mindestsicherungs-Haushalte leben zur Gänze und dauerhaft von der Leistung. Prekäre Jobs mit daraus folgendem nicht existenzsichernden Arbeitslosengeld nehmen zu. Die neuen «working poor» erhalten von der Mindestsicherung «Richtsatzergänzungen», um zu überleben.: 4 von 10 MindestsicherungsbezieherInnen haben gesundheitliche Beeinträchtigungen. Und die steigenden Lebenshaltungskosten beim Wohnen wirken sich bei geringem Einkommen überproportional stark aus.

Laut dem internationalen Migrations- und Integrationsindex (MIPEX) ist Österreich bei der Einbürgerungspolitik Schlusslicht. Einkommensschwächere haben im europäischen Vergleich geringe Chancen auf demokratische Grundrechte. Die Teilergebnisse der European-Union-Democracy-Observatory-Studie (EUDO) weist die österreichischen Gesetze im letzten Drittel auf. Die Höhe des erforderlichen Einkommens liegt in Österreich im restriktiven Spitzenfeld, so die Armutskonferenz abschließend.