Europatag: Europa wird sozial sein, oder es wird nicht mehr sein.

Finanzminister missbrauchen europäische Idee für Interessen weniger. Aktuell geplante Rechtsakte zementieren finanzpolitisches Ungleichgewicht zu Lasten der sozialen Stabilität.

(09.05.2011). Anlässlich des heutigen Europatags plädiert die Armutskonferenz für „mehr Europa und mehr Demokratie" was die zukünftige Linie der Sozial-.und Wirtschaftspolitik betrifft. „Die derzeit geplanten Rechtsakte gehen aber in die andere Richtung", warnt das österreichische Armutsnetzwerk vor den Machtungleichgewichten in der Demokratie. Auf Ebene der europäischen Kommission sind aktuell 11 von 25 Expertengruppen im Finanzbereich von der Finanzindustrie dominiert. In einigen sitzen mehr Vertreter der Finanzbranche als verantwortliche Beamte. Viele der 191 VertreterInnen von Unternehmen und Banken aus dem Finanzmarkt sitzen dort zugleich als "Experten", wie in der hochrangigen Expertengruppe für Bankenregulierung mit Goldman Sachs, ING, Pricewaterhouse Coopers, der Royal Bank of Scotland, der HSBC und Barclays.

So kann das nicht weiter gehen!

„So kann das aber nicht weiter gehen.",konstatiert die Armutskonferenz „Arbeitslose, Alleinerzieherinnen, prekär Beschäftigte, Opfer der Finanzkrise, Familien, die sich im Alltag abstrampeln, haben diesen Einfluss nicht". Sichtbar wird dieses Machtungleichgewicht gerade an den sechs Rechtsakten, den die Finanzminister und die EU-Kommission vorgelegt haben. Diese derzeit geplanten Rechtsakte zielen auf Abbau sozialstaatlicher Leistungen sowie Infrastruktur und werden die Löhne unter Druck bringen. Die Finanzminister missbrauchen das europäische Projekt für die Interessen weniger. Die Vorschläge der sechs Rechtsakte bekämpfen nicht die zentralen Krisenursachen: Deregulierung der Finanzmärkte, Leistungsbilanzungleichgewichte zwischen Staaten und die Schere zwischen arm und reich. Diese Faktoren werden völlig ignoriert. Arbeitslosigkeit, geringe Wirtschaftsleistung, Bankenrettungspakete und die Stützung des Finanzsektors haben große Budgetlöcher geschlagen. Die Schuldenquote der Eurozone sank vor der Krise von 72% (1999) auf 66% (2007). 2011 nach der Krise aber wird sie um 20% höher liegen, bei rund 86%. Irland oder Spanien hatten vor der Krise Budgetüberschüsse und niedrige Schuldenquoten. Was sie nicht davor bewahrt hat, jetzt unter Druck der Finanzmärkte zu kommen. Das wird jetzt versucht zu verschleiern. Damit die Verursacher der Krise sich nicht an den Krisenkosten beteiligen müssen, damit es keine Regulierung der Finanzmärkte gibt, damit die klaffende Schere zwischen arm und reich nicht angegangen wird, damit alles so weiter geht wie vorher. Business as usual. Mit den selben Konzepten, die in die Krise geführt haben, soll es jetzt hinausgehen", so die Armutskonferenz.

In Wirklichkeit braucht es mehr Europa und mehr Demokratie

„In Wirklichkeit braucht es mehr Europa und mehr Demokratie: Zur besseren Zielsteuerung braucht es Indikatoren (Scoreboards) zu Arbeitslosigkeit, Qualität der Jobs und zu sozialen Entwicklung, aber auch zur Steuerstruktur. Mehr Europa und mehr Demokratie heißt: Nicht nur für die Stabilisierung des Finanz- und Bankensektors eintreten, sondern auch für die Stabilisierung des sozialen Ausgleichs", so die Armutskonferenz: „Europa wird sozial sein, oder es wird nicht mehr sein".

In Europa sind 80 Millionen Menschen derzeit von Einkommensarmut betroffen, arbeiten in Billigjobs, als working poor, haben starke physische oder psychische Beeinträchtigungen, oder können sich Wohnen nicht leisten.