Vollzug der Sozialhilfe: Wer schnell hilft, hilft doppelt.

Mindestsicherung: Armutskonferenz fordert Länder auf, Maßnahmen zur Verbesserung des Sozialhilfe-Vollzugs vorzulegen

„Der Sozialhilfe-Vollzug hat in weiten Bereichen ein von der Gesetzeslage abgewandtes Eigenleben entwickelt“, weist die Armutskonferenz auf die Erfahrungen der letzten Jahre hin. Das Netzwerk, deren Mitgliedsorganisationen 500.000 Hilfesuchende im Jahr betreuen, fordert deshalb die neun Bundesländer auf, „Maßnahmen zur Verbesserung des Vollzugs vorzulegen“.

Wer schnell hilft, hilft doppelt. Ein bürgerfreundliches und grundrechtsorientiertes unteres soziales Netz verbessert den Zugang. Barrieren auf den Ämtern verlängern die Notsituation, die Hilfe wird umso schwieriger und teurer.

In einer breit angelegten Studie wurden Hilfs- und Beratungseinrichtungen in ganz Österreich über ihre Erfahrungen mit der Sozialhilfe befragt. Das Ergebnis: Je nach Bundesland, je nach Bezirk, je nach Gemeinde herrschen andere, und häufig willkürliche Vollzugspraktiken. Die Liste der Beispiele ist lang: Ein Drittel der Beratungseinrichtungen berichtet, dass die Hilfesuchenden am Sozialamt Falschauskünfte erhalten. 17% der sozialen NPOs machen die Erfahrung, dass Sozialämter Anträge ablehnen, 47% dass Rechte nur nach Intervention zugestanden werden. Allein hätten Betroffene- obwohl anspruchsberechtigt - keine Chance gehabt. Mehr als ein Drittel weiß von Demütigungen Bedürftiger in den Ämtern. Die Hitliste der Beschämungen wird von herablassendem Verhalten angeführt, aber auch Lächerlich machen und Unterstellungen kommen nach den Erfahrung der sozialen NGOs häufig vor.. Laut Studie sagen 70 Prozent der BeobachterInnen, dass dieser Teilbetrag für Miete, Energie und Betriebskosten nicht ausreiche, weil die Kosten tatsächlich viel höher sind.

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Die Zahl der EmpfängerInnen von Geldleistungen der offenen Sozialhilfe (dh., ohne SeniorInnen- und Pflegeheime) steht in keinem Zusammenhang mit der Zahl der Einkommensarmen. Auffallend ist, dass es bei der Größe der Sozialhilfe-Lücke gravierende Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern gibt. So hat im Burgenland nur eine von 43. Personen, die unter der Armutsgrenze leben, im Jahr 2007 zumindest einmal eine Sozialhilfe-Geldleistung erhalten. In Kärnten war es jeder 41. Hilfesuchende. Im Schlussfeld weiters Oberösterreich (25) und Niederösterreich (13). Dort funktioniert das unterste soziale Netz als letzte Hilfe offensichtlich besonders schlecht. Am besten schneidet Wien ab, wo jede 3. einkommensarme Person zumindest einmal eine Leistung der offenen Sozialhilfe (ohne Krankenhilfe) erhalten hat.

http://www.armutskonferenz.at/index.php?option=com_docman&task=doc_download&gid=146&Itemid=69

Gleicher Zugang zum Recht für alle - ob arm oder reich.

Es muss gleichen Zugang zum Recht für alle geben, egal ob arm oder reich. Im Rahmen der Fragebogenerhebung ist wiederholt darauf hingewiesen worden: Beratungen sind ebenso wie direkte Interventionen beim Sozialamt für die Durchsetzung der Ansprüche und Interessen der Betroffenen oft unverzichtbar. Manche leiten daraus den Schluss ab, dass nicht durch eine soziale NPO vertretene KlientInnen mit schlechteren Zugängen und Leistungen rechnen müssen. Die Ergebnisse der Befragung machen deutlich, dass verbesserte Informations- und Rechtschutzangebote dringend erforderlich sind, ähnlich den Patientenanwaltschaften

Es braucht ausreichendes & gutes Personal !

Das im Sozialhilfevollzug tätige Personal muss komplexe Aufgaben erfüllen. Deshalb muss es nicht nur in ausreichender Zahl vorhanden, persönlich geeignet und sachgerecht qualifiziert sein, sondern auch laufende Unterstützung erhalten (durch Weiterbildung, Supervision, Teamsitzungen, Burnout-Prophylaxe, etc.). Multiprofessionell zusammengesetzte Teams sind aufgrund der Komplexität der zu bearbeitenden Problemlagen unerlässlich.

Es braucht gute Dienstleistungen und Angebote!

Vielen, die auf (aufstockende) Geldleistungen der Sozialhilfe angewiesen sind, fehlt es an nichts anderem als einem existenzsichernden Einkommen. Bei vielen anderen jedoch ist die Sozialhilfe-Bedürftigkeit ein Aspekt einer umfassenderen und komplexen Problemlage. Weshalb die Betroffenen zur nachhaltigen Überwindung oder zumindest Verbesserung ihrer Notlage neben der Sicherstellung des finanziellen Existenzminimums hinaus weitergehende Unterstützung und Betreuung brauchen.

- Beratung und Unterstützung bei Wohnproblemen bis hin zur Delogierungsprävention

- Unterstützung bei der Schuldenregulierung, Förderung von finanzieller Allgemeinbildung, Unterstützung beim Erlernen eines adäquaten Umgangs mit Geld und Sicherstellung des Zugangs zu adäquaten Finanzdienstleistungen

- Vermittlung in qualitätsvolle, ressourcenorientierte Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahmen

- Gesundheitsarbeit und Unterstützung bei gesundheitlichen Problemen inkl. Suchterkrankungen

- Unterstützung beim Finden passender und leistbarer Kinderbetreuungsangebote

- Angebote zur Stabilisierung des Familiensystems

- Unterstützung beim Erlernen von grundlegenden Techniken des Haushaltsmanagements, inkl. Heiz- und Energiefragen

Finanzierung: Es braucht gerechte Ausgleichsmechanismen!

Dass es sich bei der Sozialhilfe um eine Leistung der Bundesländer handelt, ist mit Blick auf die Finanzierungsstrukturen nur eingeschränkt richtig. Denn ein großer Teil der anfallenden Kosten ist von denGemeinden zu tragen. Die jeweiligen landesspezifischen Regelungen sind unterschiedlich: hier übernimmt das Land den Großteil der Kosten der Existenzsicherung durch offene Sozialhilfe, dort werden sie gänzlich in die Zuständigkeit der Gemeinden verwiesen. Hier wird der von den Gemeinden zu tragende Anteil auf die Gemeinden eines Bezirks aufgeteilt, dort sind sie vorrangig oder ausschließlich von den Herkunftsgemeinden zu tragen. Für alle gilt: steigende Sozialhilfeausgaben belasten die Gemeinden ganz enorm. Dabei liegt auf der Hand, dass arme Gemeinden und arme Bezirke überproportional viele Sozialhilfe- Anspruchsberechtigte haben. So erklärt sich ein Stück weit auch die Diskrepanz zwischen den grundrechtsorientierten Novellierungen und Neu-Kodifizierungen diverser Sozialhilfegesetze und dem tatsächlichen Sozialhilfevollzug in den Bezirken.