7. Armutskonferenz: Beschämung ist eine soziale Waffe

Sozialhilfevollzug reformieren, neue Angebote am AMS schaffen, Zugang zum Gesundheitssystem verbessern, sozial durchlässige Schule.

(05.03.08). „Beschämung ist eine soziale Waffe“, erklärt Sighard Neckel, Professor am Institut für Soziologie der Uni Wien im Eröffnungsreferat zur 7. Österreichischen Armutskonferenz, zu der sich über 400 TeilnehmerInnen in Salzburg zusammengefunden haben. „Beschämung hält Menschen klein und rechtfertigt die Bloßstellung und Demütigung als von den Beschämten selbst verschuldet“, so Neckel. „Die Betroffen versuchen eine Erklärung für den Sinn der Verletzung zu ergründen, die sie zuvor erfahren haben. Damit der Akt der Beschämung seinen Zweck erreicht, muss für den beschämenden Mangel die Verantwortlichkeit auf die beschämte Person selbst übertragen werden“.

"Beschämung hat direkte Auswirkungen auf das unterste soziale Netz; auf die Sozialhilfe, die Notstandshilfe, und ist dort ein bestimmender Faktor. Nur 40% aller Hilfesuchenden nehmen die Sozialhilfe in Anspruch, obwohl sie ein Recht darauf hätten und sie auch bräuchten. Und eine breit angelegte Erhebung zum Sozialhilfevollzug ergab, dass Demütigungen Bedürftiger auf den Sozialämtern in hohem Ausmaß auftreten. Ähnliches wird vom Arbeitsmarktservice berichtet.", so Martin Schenk von der Armutskonferenz. Deshalb muss „der Sozialhilfevollzug der Länder verbessert und neue Angebote am AMS geschaffen werden“, fordert die Armutskonferenz. Das heißt: „Rechtwidrige Praktiken in den Ländern abstellen. Neue Arbeitsmarktpolitik für Benachteiligte etablieren“.

Die Folgen von Stigmatisierungen auf Menschen mit psychischen Erkrankungen beschreibt Karin Gutierrez-Lobos, Professorin an der Medizinischen Universität Wien. „PatientInnen reagieren auf Stigmatisierung mit Verbergen und Rückzug. Die Erfahrung von Beschämung hat einen negativen Einfluß auf den Krankheitsverlauf.“

Irene Holzer von der Grazer Marienambulanz betont die Bedeutung des Abbaus von Zugangsbarrieren für Armutsbetroffene. „Da geht es um aufsuchende Arbeit mit interdisziplinären Teams, Versicherung für Nichtversicherte, ambulante Angebote und Dolmetschhilfen.“

„Einmal arm, darf nicht immer arm heißen“, formuliert die Sozialwissenschafterin Carmen Ludwig von der Universität Giessen und beschreibt Strategien um die Vererbung von Armut zu durchbrechen. „Notwendig dafür ist ein Bildungssystem, das die schwierigen Bedingungen im Elternhaus durchbrechen kann und nicht durch mangelnde Durchlässigkeit fortführt. Und entscheidend sind die Angebote im Wohnumfeld der Betroffenen: Soziale Kontakte, Jugendtreffs, Jugendhilfe etc. Kinder und Jugendliche brauchen soziales und kulturelles Kapital um soziale Aufstiegschancen zu erhöhen.“

Die 7. Österr Armutskonferenz steht unter dem Thema „Schande Armut. Stigmatisierung und Beschämung.“ Wer andere stigmatisiert, sagt: Schande über euch! Ihr seid nicht richtig, ihr gehört nicht dazu, ihr habt versagt. Stigmatisierung ist ein Prozess der Zuschreibung von Merkmalen, die Ablehnung, Beklemmung oder Unbehagen bei Dritten hervorrufen und die Stigmatisierten entwerten. Der Begriff Stigma kommt aus dem Griechischen und bedeutet Brandmal, Kennzeichen, Narbe. Die Betroffenen empfinden Scham. Sie fürchten ihr Gesicht zu verlieren und wissen ihr Ansehen bedroht.

Gesamtprogramm zur 7. Österr. Armutskonferenz