SICHTBAR WERDEN VII: Laut geben und Feuer spucken gegen den Drachen Armut

Aktion, Diskussion und Kultur standen im Mittelpunkt des siebten österreichweiten Treffen von Menschen mit Armutserfahrungen

Gut 40 VertreterInnen von Selbstorganisationen von Menschen mit Armutserfahrungen aus mehreren Bundesländern trafen sich von 15.-17. Juni 2013 in Wien, um mit einem breiten Programm aus Diskussion, Aktion und Kultur Austausch und Vernetzung voranzutreiben und - einmal mehr - gemeinsame zentrale Anliegen, Forderungen und Lösungsansätze an ExpertInnen, EntscheidungsträgerInnen und die breite Öffentlichkeit zu bringen.

Akute und chronische Probleme rund um Arbeitsmarkt, Mindestsicherung und Verbesserungen für Menschen mit Behinderungen wurden im Zuge eines World Cafés mit VertreterInnen von AMS, Wirtschafts- und Arbeiterkammer und der MA 40 diskutiert. Dabei wurde u.a. einmal mehr ein eklatanter Mangel an Information und Partizipation deutlich. Zum einen fehlt es von Armut und Ausgrenzung betroffenen Menschen oft an für sie wichtigen Informationen über ihre Rechte und Unterstützungsmöglichkeiten, zum anderen ist bei zentralen öffentlichen Institutionen ein gravierendes Defizit an Wissen über die konkreten Lebensrealitäten und tatsächlichen Bedürfnisse festzustellen. Noch weniger werden die Lösungsansätze aus Reihen Betroffener gehört und gesehen. Spezifische Fortbildungen von und mit Menschen mit Armutserfahrungen für MitarbeiterInnen von Arbeits- und Sozialämtern seien schon lange überfällig, so der Tenor der TeilnehmerInnen. Die Binsenweisheit, dass nachhaltige Lösungen nur unter Einbeziehungen der Betroffenen entwickelt werden können, müsse endlich zu konkreten Schritten in Richtung verstärkter Teilhabe an der Entwicklung, Umsetzung und dem Monitoring armutsbekämpfender und armutsvermeidender Maßnahmen stehen.

"Feuerspucken statt schlucken": Gemeinsam gegen Ausgrenzung

Dass Ausgrenzung viele Facetten und Gründe hat und es immer auch um Solidarität und den gemeinsamen Kampf gegen alle Formen von Ausgrenzung geht, wurde durch den Beitrag der Plattform "Sichtbar-bleiben" zur diesjährigen Regenbogenparade deutlich. Da schlängelte sich der "Drache Armut" in Form eines selbst angefertigten Drachenkopfs mit langem Transparentschweif durch die bunten Wägen und machte den 150.000 TeilnehmerInnen der Regenbogenparade deutlich, wie nah Armut und Ausgrenzung beieinander liegen. "Feuerspucken statt schlucken lautet das Motto" so eine Teilnehmerin, "es geht darum, dass Menschen, die ausgegrenzt werden, egal ob wegen Homosexualität, Behinderung, Armut oder Arbeitslosigkeit sich wehren - am besten gemeinsam."

Wir geben Laut, aber nicht Pfötchen!

Aufmerksamkeit erzeugen, Missstände anprangern, zeigen, dass es so nicht weiter und auch anders geht - alle das wurde am Samstagabend schließlich auch in Liedern, Texten und Theaterbeiträgen aufgezeigt. Im stimmungsvollen Rahmen des Etablissements Gschwandner gaben LiedermacherInnen und PerformerInnen,. AutorInnen der Straßenzeitungen Augustin und Kupfermucken und SchauspielerInnen eindrucksvolle Beispiele für die Kraft von Kunst und Kultur im Sinne sozialer Veränderungen.

Mit Reflexionen und Überlegungen zur Weiterarbeit wurde das Treffen am Sonntagvormittag beschlossen. So vielfältig die Meinungen über die zielführendsten nächsten Schritte und besten Maßnahmen und Strategien auch im Detail sein mögen, einig waren sich alle: "Wir müssen weiter machen und wir müssen mehr werden. Es braucht mehr Geld, mehr Unterstützung, mehr Öffentlichkeit für die Selbstorganisationen von Menschen mit Armutserfahrungen. Und es braucht mehr von den rund 1 Millionen Menschen, die in Österreich von Einkommensarmut betroffen sind, die den Mut und die Kraft finden, sich mit uns zu engagieren."

„Sichtbar werden!“ ist ein Projekt der Armutskonferenz und der Plattform Sichtbar bleiben

Im Sinne der Vermeidung und Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung sollen Anliegen, Leistungen, Probleme und Forderungen von selbstorganisierten Betroffenengruppen und SelbstvertreterInnen aufzeigen und Möglichkeiten des Austausches, der Vernetzung und (Weiter-)Entwicklung von Veränderungsstrategien schaffen.
Bisher haben siebens österreichweite Treffen stattgefunden: im April 2006 in Wien, im Oktober 2006 in Linz, im November 2007 in Graz, im März 2009 in Wien, im November 2010 in Steyr, im Juni 2011 in Mariazell und im Juni 2012 in Wien. Neben Wissensaustausch, Vernetzung und gemeinsamen öffentlichen Aktionen geht es auch um die Entwicklung gemeinsamer Strategien, Forderungen und Aktionen. 2011 ist die Plattform Sichtbar bleiben gegründet worden.