SICHTBAR WERDEN V - Keine Armutsbekämpfung ohne Betroffene!

SICHTBAR WERDEN V - Keine Armutsbekämpfung ohne Betroffene!

"Wir fordern mehr Respekt für unsere Situation und unsere Expertise, mehr Ressourcen zur Selbstorganisation und verstärkte Möglichkeiten der Mitbestimmung.", so die TeilnehmerInnen des fünften österreichweiten Treffen von Menschen mit Armutserfahrung, das unter dem Titel "Sichtbar Werden" von 12. bis 14. November in Steyr stattfand.

Erwerbsarbeitslose, MitarbeiterInnen von Straßenzeitungen, Menschen mit Psychatrie-Erfahrung, Menschen mit Behinderungen und Alleinerzieherinnen sind drei Tage zusammen gekommen, um gemeinsam über Strategien gegen Armut zu beraten.

Unterschiedliche Modelle der Partizipation

Als Best-Practices präsentiert wurden einige seit Jahren erprobte und aktive Beteiligungsprojekte, wie etwa die Initiative „Omnibus“ aus Vorarlberg, Plattform und Interessensvertretung von und für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Omnibus wurde gegründet, weil die Stimmen Psychiatrie-Erfahrener davor kein Gehör fand und nicht weiter über deren Interessen hinweg bestimmt werden sollte. Neben Informationsveranstaltungen in Schulen und Lobbyarbeit für Psychiatrie-Erfahrene bietet die Organisation seit vielen Jahren auch professionelle Peerberatung an. Weiters präsentierten sich die Uservertretung von Promente Oberösterreich und die Straßenzeitung „Kupfermuckn“, ein Kultur- und Beschäftigungsprojekt aus Oberösterreich. "Kupfermuckn" bietet über Mitgestaltung und den Verkauf der Zeitung eine Tagesstruktur, Ausdrucks-, Austausch- und Zuverdienstmöglichkeiten für Menschen, die von Wohnungslosigkeit betroffen sind oder waren. Als weiteres Modell der Partizipation berichtete u.a. „Amsel“, die Interessenvertretung von Arbeitslosen in der Steiermark, von ihrer Arbeit. Amsel steht für: Arbeitslose Menschen suchen effektive Lösungen, und zwar in Form von Information, Beratung, Begleitung, sowie politischer Interessensvertretung gegenüber Entscheidungsträgern und Behörden.

Anliegen und Verbesserungsvorschläge für weniger Armut und mehr soziale Teilhabe

Die Kluft zwischen Entscheidungsträgern und den konkreten Realitäten von Menschen mit Armutserfahrungen aufzuzeigen und zu schließen, ist auch zentrales Anliegen des Forumtheaterstücks „Kein Kies zum Kurven Kratzen“, das von der Theaterwerkstatt Interact in Kooperation mit der Armutskonferenz 2010 20mal in ganz Österreich aufgeführt wurde. Kein Kies zum Kurven kratzen thematisiert die konkreten Anliegen und Verbesserungsvorschläge für weniger Armut und mehr soziale Teilhabe. Diskussionen im Anschluss der Aufführungen bestätigten, dass es um leistbares Wohnen und Energiegrundsicherung, gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsleistungen und Bildungsmöglichkeiten, weniger Willkür am Sozialamt und um eine Mindestsicherung geht, die wirklich zum Leben reicht. Es geht ums Gegensteuern der aufgehenden sozialen Schere zwischen arm und reich, und um Zukunftsinvestitionen in Kinder, Bildung, Pflege und soziale Dienstleistungen. Denn: „Armut kann jeden treffen. Es geht um die existentiellen Lebens-Mittel, die wir zum Leben brauchen.“, so der Tenor der TeilnehmerInnen am Treffen in Steyr. "Und es geht um echte Partizipation und darum, dass unsere Erfahrungen und Expertise endlich für effektive Armutsbekämpfung genutzt werden."

Am 29.11. werden diese Anliegen mit Nationalratsabgeordneten und InteressenvertreterInnen im Zuge einer Forumtheateraufführung im österreichischen Parlament diskutiert.

"Wir wollen unsere Alltagserfahrungen, die alltäglichen Einschränkungen und Hindernisse, aber auch unser Können, unsere Stärken und unsere Vorschläge für Verbesserungen sichtbar machen." Im Sinne einer verstärkten Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung will das Projekt „Sichtbar Werden!“ Anliegen, Leistungen, Probleme und Notwendigkeiten von selbstorganisierten Betroffenengruppen aufzeigen und Möglichkeiten des Austausches, der Vernetzung und (Weiter)Entwicklung von Veränderungsstrategien schaffen.