Anmerkungen zum Rechnungshofbericht über die Mindestsicherung

Armutskonferenz teilt Einschätzung des Bundesländer Wirrwarrs & fehlender empirischer Daten, sieht aber auch fragwürdige sozialpolitische Vorschläge - mit weitreichenden Folgen für Kinder in Armut

Reaktion der Armutskonferenz auf die Kritik des Rechnungshofes an der Umsetzung der Mindestsicherung im Bericht an den Bund 2014/9 Kapitel Mindestsicherung. Anmerkungen der Armutskonferenz - Langfassung (pdf). Antwort des Rechnungshofes (pdf) vom 25.09.2014.

(12.09.2014) "Die Abschaffung des Verschlechterungsverbots - wie der Rechnungshof vorschlägt - hätte massive negative Auswirkungen auf die soziale Situation von Menschen in prekären Lagen", nimmt die Armutskonferenz in einem Kommentar zum Rechnungshofbericht über die Mindestsicherung in Tirol und Vorarlberg Stellung.

"Sinn des Verschlechterungsverbots ist es zu verhindern, dass die Ärmsten in unserer Gesellschaft durch Systemumstellungen in existentiellen Hilfen weiter beschnitten werden", so das österreichweite Netzwerk, deren Mitgliedsorganisationen über 500000 Hilfesuchende im Jahr betreuen und begleiten. "Das betrifft beispielweise den Heizkostenzuschuss: Inwieweit wäre es den Betroffenen-ein großer Teil davon minderjährige Kinder -ohne Heizkostenzuschuss möglich gewesen, ihre Wohnung im Winter angemessen warm zu halten? Das Problem ist vielmehr: Die Vereinbarung des Verschlechterungsverbots aus dem 15a Vertrag wurde von vielen Bundesländern nicht eingehalten".

Delogierungen kommen teurer - den Betroffenen & der Gesellschaft

In einigen Bundesländern sind die Menschen gezwungen, die restlichen Wohnkosten aus den Leistungen, die eigentlich für den sonstigen Lebensbedarf vorgesehen sind, zu begleichen - oder Mietschulden anzuhäufen. Auch stellt sich die Frage, ob die Reintegration von durch nicht existenzsichernde Sozialleistungen wohnungslos gewordenen Menschen aus einer volkswirtschaftlichen Perspektive günstiger ausfällt als das Gewähren Leistungen für den angemessenen Wohnbedarf. Delogierungen kommen teurer, sowohl den Betroffenen als auch der Gesellschaft.

Abschaffung der Notstandshilfe: Hartz IV für Österreich?

Das Beispiel Deutschland zeigt, dass die Neugestaltung der Sozialleistungen mit Fürsorge-Charakter an Menschen, die längere Zeit erwerbslos sind, sehr weitreichende Folgen haben kann, die neben Armutsgefährdungsquoten - wobei besonders die Armutsbetroffenheit von Kindern massiv angestiegen ist - u.a. auch das Lohngefüge und die Binnennachfrage umfassen können, dh., auch volkswirtschaftlich relevant werden. Es reicht daher aus unserer Sicht fachlich keinesfalls aus, derartige Empfehlungen mit potentiell weitreichenden Folgen lediglich mit "erheblich unterschiedlichen Bezugsvoraussetzungen, Leistungshöhen und -arten" von Mindestsicherung und Notstandshilfe zu argumentieren, wie dies der Rechnungshof tut. Die Abschaffung der Notstandshilfe würde auch eine massive Schlechterstellung für Arbeitslose bedeuten und einen Anstieg der Altersarmut (keine Pensionsversicherung mehr) mit sich bringen.

Evaluierung armutsbekämpfender Wirkung

Die Erreichung des in Artikel 1 formulierten Ziels, mit der Einführung der Mindestsicherung Armut und soziale Ausschließung verstärkt zu bekämpfen, war bislang kein Thema von Evaluierungen auf Bundes- und/oder Landes-Ebene. In diesem Zusammenhang ist aus unserer Sicht jedenfalls die empirische Überprüfung notwendig, ob die in der 15a-Vereinbarung erfassten Lebensbedarfe im Rahmen der gewährten Leistungen faktisch in einem soziokulturell angemessenen Ausmaß befriedigt werden können. Da die Bedarfsorientierte Mindestsicherung nicht auf einem Warenkorb-Modell aufbaut und die Leistungshöhen nicht an konkrete Lebenshaltungskosten rückgebunden sind, ist diese Frage jedenfalls zu stellen.

Lückenhafte statistische Datenlage

Wir teilen die umfassende Kritik des Rechnungshofes an der lückenhaften statistischen Datenlage der Bundesländer zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung. Damit fehlen auch wesentliche Grundlagen für eine inhaltliche Evaluierung und Weiterentwicklung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung

Anmerkungen der Armutskonferenz: Langfassung (pdf)

Antwort des Rechnungshofes (pdf) vom 25.09.2014