Die sozialen Probleme werden größer. Und die schlechte Sozialhilfe kann sie nicht lösen.

Die Krise zeigt wie wichtig jetzt eine gute Mindestsicherung wäre, statt einer schlechten Sozialhilfe, die Menschen in Notsituationen nicht auffängt.

(17.12.2020) Die Abschaffung der Mindestsicherung und das verabschiedete neue „Sozialhilfe-Grundsatzgesetz“ ist ein Rückschritt in der Armutsbekämpfung in Österreich. Das Gesetz verschärft bestehende Armutslagen, degradiert Betroffene erneut zu „Bittstellern“ und eröffnet neue Hürden und Unsicherheiten, mit denen Menschen in schwierigen Lebenssituationen konfrontiert werden.

Uneinheitlich und zerstückelt

Zudem wird es eine so uneinheitliche und zerstückelte Sozialhilfe geben wie noch nie, also das genaue Gegenteil von „bundeseinheitlich“.

Nicht krisenfest

In Oberösterreich und Niederösterreich können wir gerade beobachten, worin die neue Sozialhilfe gänzlich versagt: nämlich Menschen, die ohnehin wenig haben, krisenfest abzusichern. Oberösterreich und Niederösterreich haben das Sozialhilfegesetz als bisher einzige Bundesländer bereits eingeführt. Salzburg, Kärnten und die Steiermark werden im Jänner 2021 folgen.

All das bedeutet geringere Richtsätze für Erwachsene und Kinder, Anrechnung der Wohnbeihilfe oder eine uneinheitliche Vollzugspraxis bei der Berechnung des Wohnaufwandes von Frauen-Notwohnungen. Dies führt dazu, dass Menschen in sozialen Krisen um mehrere hundert Euro monatlich weniger Hilfe haben als in der Mindestsicherung. Aktuell rechnet Oberösterreich die Wohnbeihilfe auf die Leistungen der Sozialhilfe an, zieht sie also ab.

Zuverdienst abkassiert

Auch die Zuverdienstgrenze für Menschen mit Beeinträchtigung wird drastisch reduziert. Bei Bezug der Mindestsicherung konnten Menschen mit Beeinträchtigung in Werkstätten ca. 107 Euro monatlich ohne Schmälerung des Leistungsbezuges dazuverdienen, mit der neuen Sozialhilfe beträgt diese Zuverdienstgrenze nur ca. 15 Euro pro Monat, alles darüber wird einkassiert.
Herr I. arbeitet in der Einrichtung, wo er wohnt, für einige Stunden pro Woche im Wasch- und Bügelservice. Dieser Betrag wird nun zur Gänze von seiner Sozialhilfeleistung abgezogen. Damit soll er Bekleidung, Hygieneartikel, unerwartete Ausgaben und persönliche Bedürfnisse bestreiten. Herr I. hat eine minderjährige Tochter, die er gern monatlich besucht. Die Fahrtkosten gehen sich jetzt nicht mehr aus.

Verwaltungsaufwand steigt, dafür werden Leistungen gekürzt

Die Sozialhilfe ist umständlich kompliziert. Die Folge: Der Verwaltungsaufwand steigt, dafür werden Leistungen gekürzt. Nach Schätzung der zuständigen Fachabteilung des Landes Kärnten werden die Leistungen für Sozialhilfeempfänger um rund 360.000 Euro sinken. Im Gegenzug wird es in den Sozialämtern durch den erhöhten Verwaltungsaufwand zu Personalmehrkosten in Höhe von rund 1,06 Millionen Euro kommen. Wir zahlen demnach für den Untergang anderer. Die Allgemeinheit soll mehr bezahlen müssen, damit Hilfe suchende Personen weniger erhalten.

Frauen –Notwohnungen gekürzt

In Niederösterreich bietet die Frauenberatung Notwohnungen an, wo jeweils drei Frauen wohnen. In der jetzt eingeführten Sozialhilfe werden diese unsachgemäß als WG bzw. Haushaltsgemeinschaft bewertet. Das bedeutet, dass die ersten zwei Personen 70% des Richtsatzes bekommen, die dritte Person nur mehr 45%. Die dritte Frau bekommt also nur die Hälfte der Existenzsicherung, eine massive Kürzung, „zum Sterben zu viel ist, zum Leben zu wenig“.

Zu wenig zum Wohnen, zu wenig zum Leben

Die Änderung der Aufteilung von 25 % Wohnbedarf und 75 % Lebensunterhalt (BMS) auf 40% Wohnbedarf und 60% Lebensunterhalt wird die Wohnungslosigkeit verfestigen. Wohnungslose Menschen erhalten damit 15 % weniger Leistung, haben aber trotzdem oft nicht nachweisbare Wohnkosten zu zahlen. Und es wird die Möglichkeit der Ansparung auf Anmietungskosten verunmöglicht.

19 Punkte für eine gute Mindestsicherung

„Wir brauchen eine neue Mindestsicherung, die Existenz, Chancen und Teilhabe sichert“, fordert die Armutskonferenz jetzt angesichts der drohenden sozialen Krise die Regierung zu einer ordentlichen Sanierung auf. Um der sozialen Krise effektiv entgegentreten zu können, braucht es: Grundrechte statt Almosen, Chancen statt Abstieg, sozialer Ausgleich statt Spaltung, Achtung statt Beschämung. Die Armutskonferenz hat 19 Punkte für eine bessere Mindestsicherung vorgelegt, die eine effektive Soforthilfe, kürzere Entscheidungsfristen, Dienstleistungen und Alltagshilfen, Ausbildungsoptionen, Unterhaltsreform, Anspruch auf Einbeziehung in die Krankenversicherung bei Krankheit und den tatsächlichen Wohnbedarf umfassen.

Erfahrungsbericht und Analyse: Folgen und Auswirkungen der neu eingeführten Sozialhilfe


Weitere Unterlagen zur Pressekonferenz am 17.12.2020

Statement arbeit plus

Statement Armutsnetzwerk Oberösterreich

Statement BAWO

Statement Diakonie

Statement Plattform für Alleinerziehende

Statement VertretungsNetz

Statement Volkshilfe