Armutskonferenz kritisiert „Sozialhilfe“: Existenz und Chancen sichern – nicht Leute noch weiter in den Abgrund treiben!

Almosenregime statt Sozialstaat - Soziale Unsicherheit und Absturz bis weit in die Mittelschichten möglich.

(13.12.2018). „Ziel muss es doch sein Existenz und Chancen zu sichern, nicht Leute weiter in den Abgrund zu treiben. Die Chancen für 80.000 Kinder weiter zu verschlechtern, Familien in krankmachende Lebensbedingungen zu treiben und Menschen bis weit in die Mittelschichten einem drohenden Almosenregime auszusetzen , all das sind nicht die Werte, die uns stark gemacht haben“, kommentiert die Armutskonferenz das vorgelegte „Sozialhilfegesetz“. Wer von Kindern als „unsere Zukunft“ spricht, darf nicht schweigen, wenn ihre Chancen beschnitten werden. Die in der Armutskonferenz zusammengeschlossenen Initiativen begleiten und betreuen 500.000 Menschen im Jahr. Die Armutskonferenz spricht sich vielmehr im Namen der tausenden betroffenen Kinder, Männer und Frauen dafür aus, eine Mindestsicherung zu gestalten, die soziale Notlagen präventiv vermeidet und Armut bekämpft. Ziele eines modernen sozialen Netzes sollten sein: Grundrechte statt Almosen, Chancen statt Abstieg, sozialer Ausgleich statt Spaltung, Achtung statt Beschämung.

Alte Sozialhilfe ist zurück: paternalistischer und zerstückelter als sie je war

Die alte Sozialhilfe ist zurück, aber schlimmer und in Zukunft nach Bundesland zerstückelter als sie es je war. Es gibt keine Mindeststandards mehr, sondern nach unten ungesicherte Kann-Leistungen. Diese „Sozialhilfe“ kennt auch in ihren Zielen keine „soziale und kulturelle Teilhabe“ mehr. Die Leistungshöhen, das Wohnen, Hilfen für alleinerziehende Eltern und Menschen mit Beeinträchtigungen – all das sind „Kann“-Bestimmungen ohne Rechtsanspruch. In einer Fürsorgeleistung bedeutet das alles oder nichts. Es gibt einen Verschlechterungszwang und ein Verbesserungsbelieben. In der Zusammenschau mit der Beschneidung der Leistungen der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosengeld und Notstandshilfe) bedeutet das, dass stärker sozialstaatliche, statussichernde Leistungen in mehr „almosenhafte“, paternalistische Fürsorge überführt werden.

Grundrechte stärken, Chancen ausbauen – gegen Paternalismus und Almosenwirtschaft

„Almosencharakter verstärken, soziale Grundrechte und Chancen schwächen“, diese Systematik kennen wir aus Großbritannien oder aus Deutschland mit Hartz IV. Die Elemente mit ihren negativen Folgen waren dort dieselben:

  • Keine nach versicherungsrechtlichen Kriterien berechneten Ansprüche, sondern Bedürftigkeitsprüfung
  • rascher Zugriff auf Erspartes
  • kein Erwerb von Pensionsansprüchen für die Dauer des Bezugs (was bei der Abschaffung der Notstandshilfe und den erzwungenen Wechsel in die Mindestsicherung der Fall wäre)
  • Einkommensverlust
  • Streichung kollektivvertraglich abgesicherter Arbeitsmarktprojekte für ältere ArbeitnehmerInnen - dafür 1 Euro Jobs mit Zwangscharakter
  • Kürzung und Umwandlung grundrechtsorientierter Leistungen wie Mindestsicherung in paternalistische Systeme wie Sozialhilfe,
  • Arbeitslosengeld bei Krankheit nicht verlängern.

Weiters gibt es im vorgelegten Entwurf für ein Bundes-Rahmengesetz

  • eine Deckelung der möglichen zusätzlichen Leistungen für das Wohnen,
  • zusätzlich einen generellen Deckel, der für alle Erwachsenen im Haushalt gilt und Menschen mit Behinderungen oder pflegende Angehörige treffen kann.
  • und der Regress wird wieder möglich.

Eine Fürsorgeleistung ist auch immer stärker mit Stigmatisierung und Abwertung verbunden. Soziale Rechte haben viel mit Würde zu tun.

Soziale Unsicherheit in die Mittelschichten getrieben

Alle diese Vorschläge führen dazu, dass soziale Unsicherheit bis weit in die Mittelschichten hoch getrieben wird – und sich Gegenwart und Zukunft für Hunderttausende verbaut. Reformen wären sinnvoll, wenn sie versuchen würden, die Existenz und Chancen zu sichern, aber nicht Leute weiter in den Abgrund zu treiben.


Fallbeispiele & Berechnungen

Beispiel Wien: Frau mit erheblicher Behinderung

Beispiel NÖ: 2-Eltern-Familie mit 3 Kindern

Beispiel Tirol: WG von Menschen mit Beeinträchtigung