Sozialhilfeentwurf: Wird soziale Unsicherheit erhöhen und Schere zwischen Arm und Reich vergrößern

Die Sozialhilfe aus dem vorigen Jahrhundert ist zurück, aber paternalistischer und nach Bundesland zerstückelter als sie es je war.

(13.03.2019) „Ziel muss es doch sein Existenz und Chancen zu sichern, nicht Leute weiter in den Abgrund zu treiben. Die Chancen für tausende Kinder weiter zu verschlechtern, Familien in krankmachende Lebensbedingungen zu treiben und Menschen bis weit in die unteren Mittelschichten großer sozialer Unsicherheit auszusetzen, all das sind nicht die Werte, die uns stark gemacht haben“, kommentiert die Armutskonferenz die vorgestellte „Sozialhilfe“. Die in der Armutskonferenz zusammengeschlossenen Initiativen begleiten und betreuen 500.000 Menschen im Jahr. „Wir wissen, was Maßnahmen anrichten können. Im Alltag. Konkret. Real.

Keine Soforthilfe und schriftlicher Bescheid mehr

So fällt jetzt die Bestimmung weg, dass Entscheidungen am Amt maximal drei Monate dauern dürfen. Wer früh hilft, hilft doppelt. Das wäre der vernünftige Zugang. Ohne Regel aber wird Soforthilfe unmöglich und Ämterwillkür Tür und Tor geöffnet. Auch die Verpflichtung, schriftliche Bescheide auszustellen, ist gestrichen. Ein schriftlicher Bescheid sollte eigentlich selbstverständlich sein, besonders wenn es um so eine sensible Grundrechtsmaterie geht.
Dieses Beispiel ist symptomatisch für den Geist, den die „Sozialhilfe“ atmet. Mit dem vorgelegten Entwurf ist die Sozialhilfe aus dem vorigen Jahrhundert zurück - aber schlimmer und in Zukunft nach Bundesland zerstückelter als sie es je war.

Gegenteil von „bundeseinheitlich“

Wir haben es hier mit einem Entwurf zu tun, der auf österreichweiter Ebene für uns alle kein Existenzminimum mehr festlegt. Das wird zur Folge haben, dass es eine so uneinheitliche und zerstückelte Sozialhilfe geben wird wie noch nie, also das genaue Gegenteil von „bundeseinheitlich“. Es gibt keine Mindeststandards mehr, sondern nach unten ungesicherte Kann-Leistungen. Die Leistungshöhen, das Wohnen, Hilfen für alleinerziehende Eltern – all das sind „Kann“-Bestimmungen. In einer Fürsorgeleistung bedeutet das alles oder nichts. In der Zusammenschau mit der angekündigten Beschneidung der Leistungen der Arbeitslosenversicherung samt Notstandshilfe bedeutet das, dass stärker sozialstaatliche, statussichernde Leistungen in mehr „almosenhafte“, bevormundende Fürsorge überführt werden. Eine Fürsorgeleistung mit weniger Rechten und großen Vollzugs-Spielräumen ist auch immer stärker mit Stigmatisierung und Abwertung verbunden. Soziale Rechte haben viel mit Würde zu tun.
Ziele und Werte eines modernen sozialen Netzes sollten aber sein: Grundrechte statt Almosen, Chancen statt Abstieg, sozialer Ausgleich statt Spaltung, Achtung statt Beschämung. Diese Ziele verfehlt das vorgelegte „Sozialhilfegesetz“.

Soziale Unsicherheit in die Mittelschichten getrieben

Alle diese Vorschläge zusammen führen dazu, dass soziale Unsicherheit bis weit in die unteren Mittelschichten hoch getrieben wird – und sich Gegenwart und Zukunft für Tausende verbaut. Reformen wären sinnvoll, wenn sie versuchen würden, die Existenz und Chancen zu sichern, aber nicht Leute weiter in den Abgrund zu treiben. Dieser Sozialhilfeentwurf wird soziale Unsicherheit erhöhen und die Schere zwischen Arm und Reich vergrößern.

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