Mindestsicherung OÖ: Deckel drauf. Kinder und ihre Zukunftschancen bedroht

„Deckel-Gesetz“ produziert persönliche Notlagen und gesellschaftliche Folgekosten

(06.06.2017) „Deckel drauf. Das heißt Kinder klein machen, unter Verschluss halten, hinunter drücken, Chancen rauben. Jedenfalls nicht das, was Kinder brauchen: wachsen lassen, fördern, zutrauen, stärken“, analysiert die Armutskonferenz, das Netzwerk von über 40 Initiativen aus sozialen Organisationen, Selbsthilfeinitiativen, Wissenschaft, Bildungseinrichtungen und Armutsbetroffenen. „Diese Einschnitte werden zahlreiche persönliche Notlagen, gesellschaftliche Folgen samt Folgekosten mit sich bringen.“ Am 8.Juni soll das „Deckel-Gesetz“ in den oberösterreichischen Landtag kommen.

Angesichts der Tatsache, dass die Mindestsätze schon jetzt nur zur Deckung des unmittelbaren Bedarfes reichen, entzieht die geplante Kürzung Familien mit mehreren Kindern die Existenzgrundlage und bringt damit auch die Zukunftsperspektiven der Kinder ernstlich in Gefahr. Dies steht dem Ziel Armut und sozialer Ausgrenzung nachhaltig entgegenzuwirken und folglich auch eine „Vererbung“ von Armut über Generationen zu vermeiden, diametral entgegen.

Eine Mutter mit Kindern, eines ist krank und braucht eine spezielle Therapie. Das geht sich mit all den Kürzungen nicht aus. Kleinigkeiten? Nein, das sind die wichtigen Faktoren für die Entwicklung von Kindern: Gesundheit, Anerkennung, Förderung – keine Beschämung und keine Existenzangst. All das hat Folgen: Die armen Kinder von heute sind die chronisch kranken Erwachsenen von morgen. Und als Beispiel: Die Streichungen bei der Wohnbeihilfe in England führten zu einem 10 prozentigen Anstieg von psychischen Problemen bei Personen aus Niedrigeinkommenshaushalten, wie Studien der Universität Oxford zeigen.
Kinder und Jugendliche, die in Haushalten mit niedrigem Einkommen aufwachsen, haben Nachteile, die in mehreren Bereichen sichtbar werden. Die Gefahr des sozialen Ausschlusses zeigt sich in den geringeren Möglichkeiten Freunde einzuladen, Feste zu feiern und an kostenpflichtigen Schulaktivitäten teilzunehmen. Diese sozialen Teilhabemöglichkeiten sind erst ab mittlerem Einkommen für fast alle Kinder leistbar (Statistik Austria, EU SILC).

Übrigens: Das mittlere Erwerbseinkommen einer Einzelperson wird in den Darstellungen der regierenden Landespolitiker mit einer ganzen Familie, dem gesamten Haushalt, verglichen. Dieser schiefe und unseriöse Vergleich kann nur dann funktionieren, wenn das gesellschaftliche Bild aus den 50er Jahren vom Alleinverdiener und „Familienerhalter“ Pate steht. Familienstrukturen stellen sich heute anders da.

Mehr Bürokratie für Menschen mit Behinderungen

Der Entwurf nimmt „arbeitsunfähige Personen“ von der Deckelung aus. Diese Ausnahme wird nicht wirksam, wenn die Einschränkung der Arbeitsfähigkeit erst abschließend geprüft wird. Die sozialrechtliche Erfahrung zeigt, dass sich dieser Zeitraum, beispielsweise bei Pensionsklagen, auf Jahre erstrecken kann.
Entgegen den Behauptungen der regierenden Landespolitiker gibt es keine generellen Ausnahmen für Menschen mit Beeinträchtigungen. Die Bestimmung ist für Antragsteller schwer zu durchschauen und wird für die Betroffene vor allem mit mehr Bürokratie und für den Steuerzahler mit einem höheren Verwaltungsaufwand einhergehen.

Kein Begutachtungsverfahren, Betroffene kommen nicht vor

Schon die Gesetzwerdung verläuft nicht so, wie es einer grundrechtlichen Frage angemessen wäre. Ein Begutachtungsverfahren wird uns allen vorenthalten. So hat es eine kritische Öffentlichkeit und die Betroffenen selbst schwer, die Vorhaben überhaupt wahr zu nehmen und zu diskutieren. Darunter wird dann auch die Qualität leiden.
„Die Geschichte der Armut besteht seit hunderten Jahren in einem sich stets wiederholenden Prozess, bei dem die jeweilige Verlierergruppe eines grundlegenden sozialen Wandels für ihre verschlechterte ökonomische Lage selbst verantwortlich gemacht, beschnitten und herabgewürdigt wird“, so die Armutskonferenz abschließend.